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bis 85 fl. waren die Regel und mussten vom Pater Superior übernommen werden8. Ob-
wohl das Spital als nahezu mittellos galt und jedes Quartal zwei Spitalbewohner mit einer
bixen im markth herumb samblen9 gingen, war das neuerbaute Haus um 1730 für 30 Per-
sonen vorgesehen. In Graz kritisierte man amtlicherseits im März 1729, dass die Markt-
armen beinahe ausschließlich von den Wallfahrern unterstützt wurden, da doch in allen
übrigen stätt und märkhten die burger aus dem ihrigen selbe entweder in natura verpflegen
oder doch wenigstens in geld einen ergäbigen beytrag raichen müssen, die ganze burgerschafft
zu Maria Zell aber nicht mehr dan etliche gulden besagtermassen in die samblungsbixen le-
get10. Das Geld der Wallfahrer floss künftig jedoch nicht vorrangig dem Spital zu, son-
dern den bis zu 100 verpflegten Konvertiten im Grazer Armenhaus11. Lebten 1728 noch
28 Personen im Spital, so reduzierte sich diese Zahl bis Februar 1732 auf acht Frauen
und Männer, die restlichen Personen sollten auf die Bauern und Bürger verteilt werden.
Bedürftige aus dem Grazer Armenhaus begannen ab Mai 1732 für ihre Institution zu
sammeln, so dass nach dem Bekanntwerden dieser Maßnahme die Erträge deutlich ab-
nahmen. Konflikte bauten sich dadurch auf, da die Ortsarmen durch die Einlage bei den
Bauern oft durch vill wochen das gottshaus nicht erraichen konnten, und der Prior von St.
Lambrecht den Grazer Kollektor mit dem Gerichtsschergen aus dem Markt treiben lassen
wollte12. Der Abt von St. Lambrecht wurde allerdings rasch angewiesen, die Sammler in
ihrer Tätigkeit vor den Kirchentüren der Wallfahrtsbasilika nicht zu stören. Fremde Arme
sollten an ihren Heimatort verschoben werden, für die ansässigen musste die Bürgerschaft
sorgen. Laut einer Entschließung des Kaisers vom 14. Mai 1734 flossen die Sammelgelder
künftig in eine gespörte pixen, die der bürgerliche Spitalmeister Joseph Närzisß zu öffnen
8 Ebd. fol. 512r–519r, Spitalrechnungen Mariazell 1751–1753.
9 Ebd. Weltliche Stiftungsakten 63, K. 204, Nr. 1, 1728 Juni 30, Richter und Rat an die Inneröster-
reichische Regierung und Hofkammer.
10 Ebd. Nr. 2, 1729 März 7, Bericht und Gutachten an die Hauptkonferenz zur Untersuchung des
Spitals zu Mariazell.
11 Pichler, Mariazell 19.
12 StLA, Weltliche Stiftungsakten 63, K. 204, Nr. 3, 1733 Juni 12, Bericht und Gutachten an den
Kaiser. Abb. 35: Mariazell; Unteres
Spital (Wiener Straße 35).
Das in der ersten Hälfte des
18. Jahrhunderts errichtete,
zweigeschossige Spital (neun
Achsen mit Schopfwalmdach)
wurde im frühen 17. Jahrhun-
dert gegründet, seit 1789 k. k.
Religionsfonds der Herrschaft
Mariazell, seit 1967 zum „Hei-
matmuseum“ umgewidmet.
Neben dem Eingang befinden
sich in Nischen links und
rechts vom Tor barocke Hei-
ligenfiguren wie die Pest- und
Frauen-Heiligen Anna, Sebas-
tian und Rochus (Foto: Martin
Scheutz, 2013).
Spital als Lebensform
Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Spital als Lebensform
- Untertitel
- Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Scheutz
- Alfred Stefan Weiß
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79639-8
- Abmessungen
- 17.5 x 24.7 cm
- Seiten
- 432
- Kategorie
- Medizin