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VI.18 Steiermark: Windischgrätz/Slovenj Gradec – Herrschaftsspital
(Kommentar Nr. 77)
Im Spätwinter und Frühjahr 1741 drang das Gerücht des Amtsmissbrauchs sogar bis an
die Pforten der Landessicherheitshofkommission, weil der Windischgrätzer Spitalmeis-
ter Joseph Stüger den übertragenen Aufgaben angeblich nur fahrlässig und eigennützig
nachgekommen war. Außerdem verfügte er über zu wenig Kapital und sollte deshalb per
1. Mai 1741 aus dem Amt entlassen werden. Stüger verwehrte sich bereits seit September
des Vorjahres gegen diese Vorwürfe und sah die Konfliktlage in der Auseinandersetzung
mit dem Hauptpfarrer von St. Martin, Georg Joseph Schrökinger, der auch als Kom-
missar fungierte, begründet. Er bat zwar um Entlassung aus seiner Funktion, beharrte
aber darauf, in seinen Rechnungen alles clar gezaigt und gelegt1 zu haben. Das Hospital
der Stadt Windischgrätz, die Ende des 18. Jahrhunderts etwa 100 Häuser zählte und ein
Zentrum für den regionalen Flachsanbau sowie den Leinwandhandel darstellte2, war je-
doch durch kurzfristige Misswirtschaft kaum an den Rand des Ruins zu bringen, da der
Kapitalfonds noch um 1800 mit knapp 15.000 fl. zu Buche schlug. Es wurde Mitte des
18. Jahrhunderts ausgeglichen bilanziert3 und man versorgte üblicherweise die biblische
Zahl von zwölf Personen4.
Die spätmittelalterliche Einrichtung wurde am 21. Dezember 1419 vom bedeutenden
Ratsbürger Johannes von Lack gestiftet5, dessen Familie als wohlhabend galt und mehr-
mals den Windischgrätzer Stadtrichter stellte6. Das Spital sollte ursprünglich 16 (12?)
verarmten bürgerlichen Frauen und Männern Platz bieten, von denen als Gegenleistung
lediglich Gebete und die Teilnahme am Gedächtnisgottesdienst für den Stifter verlangt
wurden. Als Verwalter setzte der Stadtrat einen Spitalmeister ein, welcher gemeinsam mit
dem Pfarrer für das Wohlergehen der Anstalt verantwortlich war. Im Zeitalter der Gegen-
reformation weigerte sich der Magistrat, die Rechnungen weiter dem Pfarrer vorzulegen
und nahm dieses Recht für sich in Anspruch7.
Die gotische Heilig-Geist-Kirche in Windischgrätz dürfte vermutlich so alt wie das
Spital sein und in der Kirche findet sich auch das Bild des Stifters Johann von Lack,
dessen Gründung selbstverständlich in die kirchliche und religiöse Sphäre eingebunden
blieb8. Eine Benefizium-Stiftung, die mit drei Huben ausgestattet war, lässt sich in das
Jahr 1424 datieren, welche jedoch die Reformation nicht überdauerte. Überregionale Be-
rühmtheit erlangten die Fresken aus der Zeit um 1450 des Meisters Andre aus Otting,
welche in 27 Bildern Begebenheiten aus dem Leben Jesu darstellen9. Obwohl im Jahr
1632 ein Großbrand die Stadt einäscherte und neun Menschenleben – unter ihnen der
1 StLA, Weltliche Stiftungsakten 34, K. 155, Nr. 51, diverse Schreiben 1741 März–Mai.
2 Kindermann, Abriß 174f.
3 Valentinitsch, Armenfürsorge 113.
4 Uebersicht 84.
5 StLA, Weltliche Stiftungsakten 83, Teil 2, K. 302, fol. 1066r–1071v, Stiftbrief für das Spital in Win-
dischgrätz, 1491 St. Thomastag; ebd. 34, K. 153, Nr. 6, Bericht und gutachten über vorgenombene untersuchung
des burger spittalls zu Windischgraz und desselben könfftige bessere unterhaltung bet(reffend), 1729 (Kopie des
Stiftbriefs).
6 Wichner, Heilwesen 75.
7 Skuk, Pfarre Windischgraz 140–142.
8 Borgolte, Stiftung 49.
9 Skuk, Pfarre Windischgraz 144.
Spital als Lebensform
Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Spital als Lebensform
- Untertitel
- Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Scheutz
- Alfred Stefan Weiß
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79639-8
- Abmessungen
- 17.5 x 24.7 cm
- Seiten
- 432
- Kategorie
- Medizin