Seite - 232 - in Spital als Lebensform - Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Band 1
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von der Stadt zusätzlich zehn Gulden für seinen Lebensunterhalt, um auch seine Ehefrau
ernähren zu können. Has errichtete in der Spitalkirche eine neue sinagog, so vermutlich
der Spottname und nicht die Selbstbezeichnung, in der er nach dem Bericht des Pfarrers
von Laien unterstützt wurde. Die Anhänger des neuen Glaubens versammelten sich in
den Bürgerhäusern oder eben in der Spitalkirche, wobei in Windischgrätz auch Frauen
als Predigerinnen in Erscheinung traten. Neben dem Aufschub der Taufe, der einfachen
Form des Abendmahls, der Absonderung von der Pfarre zur „Synagoge“, der Freundschaft
mit den Grazer Täufern, der Predigt und Abendmahlfeier durch Laien, der Ablehnung
von Bußsakrament und kirchlicher Schlüsselgewalt etc. wird vermutet, dass Has eine ge-
fährliche Nähe zu den Täufern entwickelte. Der Prädikant wurde auf Befehl der landes-
fürstlichen Gewalt zwischen Pfingsten und Herbst 1527 in Haft genommen und am 2.
Dezember dieses Jahres mit dem Strick in Graz hingerichtet. Bruder Ulrich, der von Has
getraut worden war und ebenfalls in der Gemeinde Windischgrätz gewirkt hatte, floh
jedoch vor der im Juni 1527 herannahenden Visitationskommission, welche der „Syna-
goge“ ein rasches und unrühmliches Ende bereitete15. Um die Spuren der Reformation zu
beseitigen, wurden sogar „etlich puechl auff dem plaz vor der herberg verprennt“16.
Die Spitalbewohner lebten im frühen 18. Jahrhundert miteinander in einer kleinen
Stube; zusätzlich gab es ein weiteres Zimmer, in dem Richter und Rat dem Spitalmeister
– er wurde auch als der guette wierth 17 bezeichnet – die Rechnungen abnahmen. Daneben
lassen sich Keller, Küche, Kasten, Holz- und Heulage, Keuche, Kuh- und Schweinestall
etc. und ein geräumiger Innenhof nachweisen. Die Kirche war an das Spital angebaut, mit
einem Friedhof sowie einem Beinhaus versehen. Die Spitaler hatten von der Wohn- und
Schlafstube der Frauen einen direkten Zugang in die Kapelle18. Das Zimmer des Spital-
priesters wird im Plan des Jahres 1729 nicht gesondert ausgewiesen, doch wissen wir, dass
Michael Magnus Pappler seit 30 Jahren wöchentlich zwei Messen in der Kapelle las und
auch ein kleines Zimmer im Spital bewohnte. Im Oktober 1739 erlitt er einen Schlagan-
fall und starb am 17. Jänner 1740 im Haus. Sein hinterlassenes Vermögen belief sich auf
178 fl. 42 xr., wurde jedoch durch Schulden, den Kondukt, die Verpflichtung zum Le-
sen von Seelenmessen, Apotheken- und Chirurgenrechnung, Krankenwärterdienste und
kleine Legate zur Gänze aufgebraucht19.
Da das Feuer des Jahres 1720 zu größeren Zerstörungen geführt hatte und noch nicht
alle Räumlichkeiten repariert werden konnten, wurden gegen Ende dieses Jahrzehnts le-
diglich vier Frauen und fünf Männer im Haus versorgt, drei Frauen und zwei Kinder
erhielten Getreidezuwendungen. Im Rahmen der Befragung vor der Untersuchungskom-
mission gab es scheinbar keine Beschwerden und der Kommissar hielt resümierend fest:
Sie, pfriendtner, wären mit den spitlmaister und spitlmaisterin in allen woll zufriden20. Um
diese hervorgehobene Zufriedenheit im Spital aufrechtzuerhalten und überdies Ressour-
cen zu schonen – neben den Brandschäden hatte die Anstalt gegen die Folgen der Pfän-
15 Amon, Prediger 3–15.
16 Zit. nach Skuk, Pfarre Windischgraz 165.
17 StLA, Weltliche Stiftungsakten 34, K. 153, Nr. 1, Specification der in der stadt Windisch Gräz befind-
lichen spittal und stifftungen, 1724 Juni 3.
18 Ebd. K. 154, Nr. 16, Grundrissplan des Spitals in Windischgrätz, 1729.
19 Ebd. K. 155, Nr. 45, Joseph Georg Schrökinger, Hauptpfarrer zu St. Martin bei Windischgrätz
an die Landessicherheitshofkommission, 1740 Februar 1; ebd. Nr. 47, Verlassenschaft des Hospitalpriesters
Michael Magnus Pappler, Inventar, 1740 April.
20 Ebd. K 154, Nr. 16, Beschreibung der Pfründner im Spital in Windischgrätz, 1729 Oktober 20.
Spital als Lebensform
Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Spital als Lebensform
- Untertitel
- Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Scheutz
- Alfred Stefan Weiß
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79639-8
- Abmessungen
- 17.5 x 24.7 cm
- Seiten
- 432
- Kategorie
- Medizin