Seite - 234 - in Spital als Lebensform - Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Band 1
Bild der Seite - 234 -
Text der Seite - 234 -
234 Kommentare
VII.1 Oberösterreich: Repräsentation und Kammer des Landes ob der
Enns – Bürgerspitäler, Klosterspital, Herrschaftsspital
(Kommentar Nr. 78–88)
Die Spitäler und deren Finanzverwaltung standen sowohl im 16. Jahrhundert (Visita-
tionen des Landesfürsten) als auch im 18. Jahrhundert, vor dem Hintergrund der the-
resianischen Bürokratiereformen, im Blickpunkt der Zentralbehörden. Die sowohl Ver-
waltung als auch Justiz vereinende Repräsentation und Kammer, die neu geschaffene
Mittelbehörde zwischen dem mächtigen Directorium in Publicis et Cameralibus und den
Kreisämtern, sollte in Form der Milden-Stiftungshofkommission die Aufsicht über die
Stiftungen und Spitäler führen. Nach Patenten vom 23. September 1754 (Edition Nr. 78,
S. 726f.) und 8. Mai 1756 (Edition Nr. 79, S. 727–729) hatten alle Spitäler anfänglich
Berichte über die Spitäler und in einem weiteren Schritt ihre Stiftbriefe (so vorhanden
und nicht durch Brände zerstört) einzusenden, die unbemittelten Spitäler mussten eine
Ordnung des jeweiligen Spitals erstellen. Die Sicherung der Kapitalien wie der Legate und
die Finanzgebarung (Rechnungslegung, Anlage von standardisierten Tabellen) waren für
die auf Sparsamkeit und auf möglichst geringe Verschwendung konzentrierten Behörden
– als Vorstufe zur Aufhebung vieler kirchlicher und kirchennaher Einrichtungen (Klöster,
Bruderschaften) unter Joseph II. – von großem Interesse. In Reaktion auf bzw. schon
im Vorfeld der Aufforderung der Repräsentation und Kammer wurden in vielen Spitä-
ler des Landes ob der Enns die Rechtstitel gesichert (Anlage von Kopien, Neuabfassung
der Texte), wie die folgenden in der Edition angeführten Beispiele (Herrschaftsspitäler,
städtisch/märktische Spitäler, Klosterspitäler) gut verdeutlichen. Der Schwerpunkt der
„ad appropandum“ eingereichten Ordnungen liegt auf dem Jahr 1756, wobei deutlich
wird, wie große Grundherrschaften gleichsam eine Norm-Spitalordnung erstellten, die in
abgewandelter Form im jeweiligen Teilbereich der Grundherrschaft verschiedentlich zur
Anwendung kam.
Wohl in Reaktion auf die Aufforderung der Berichtlegung (Edition Nr. 78, S. 726f.)
fertigte man 1754 im Markt Kefermarkt eine Abschrift (Extract aus dem original spittall
buech) der Spitalordnung von 1607 an. Über das von Hans Wilhelm von Zelking (1568–
1623)1 im Jahr 1606 im nordöstlichen Mühlviertler Markt Kefermarkt (Markterhebung
1497) „von Grund auf“ (auf ainen grüenen feldanger erbauet) geschaffene Herrschaftsspital
(Edition Nr. 81, S. 730–732) ist offenbar kaum etwas bekannt2. Der Markt selbst unter-
stand der Herrschaft Weinberg. Die Kefermarkter Spitalordnung nennt keine Insassenan-
zahl, sondern beschränkt sich auf die Festlegung des Unterhalts, des Lebenswandels der
Insassen und auf Bestimmungen für den Kefermarkter Spitalmeister.
Ebenfalls die Gattung Herrschaftsspital bespiegelt das Beispiel aus Münzbach (Edi-
tion Nr. 82, S. 732–737). Das zweistöckige, heute im Besitz des Marktes befindliche
Barbara spital von Münzbach wurde von Georg Schütter um 1620 gegründet und 1640
von Johann Joachim (Enzmillner) Graf von und zu Windhaag, auf Pragthal, Münzbach
1 Siebmacher, Oberösterreich 690.
2 Keine Erwähnung bei Watzinger, Kefermarkt. Die Kollationierung des Textes von 1607 (anschlie-
ßend Verzeichnis der Stiftungen) wurde von Joseph Grienberger, k.k. Landeshauptmannschaftlicher Gerichts-
sekretär, angelegt (OÖLA, A. der Landeshauptmannschaft, [Ältere Stiftungen,] Scha. 197). Viele Bürgerspitäler
besaßen ihre Stiftungsbriefe nicht mehr, als Beispiel das 1505 gegründete Spital in Leonfelden Birngruber,
Das Bürgerspital 7.
Spital als Lebensform
Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Spital als Lebensform
- Untertitel
- Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Scheutz
- Alfred Stefan Weiß
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79639-8
- Abmessungen
- 17.5 x 24.7 cm
- Seiten
- 432
- Kategorie
- Medizin