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VII.4 Oberösterreich: Lambach – Klosterspital (Kommentar Nr. 104–105) 247
Vermutlich in Zusammenarbeit mit den Spitalmeistern ließ Abt Severin im Juni 1691
die erste archivalisch nachweisbare Instruktion vorlegen (Edition Nr. 105, S. 823–830).
Als Vorbild dürfte die Ordnung des Stiftspitals St. Florian bei Linz aus dem Jahr 1680
gedient haben, die man eventuell zur Einsicht anfordern ließ und die dem erhaltenen Akt
beigegeben ist10. Die Normen für die spittäller umfassten insgesamt zwölf Punkte und
sollten „Ordnungssicherheit“ gewährleisten. Im Sommer mussten die Frauen und Män-
ner um 6.00 Uhr, im Winter um 6.30 Uhr in Gottes namben aufstehen11. Anschließend
sollten sie sambentlich in hiesige closster kirchen in ihren plauen spittall khlaidern zur Mor-
genmesse gehen. Wer jedoch aufgrund körperlicher Schwäche oder durch Schlechtwetter
davon abgehalten wurde, durfte in der Spitalkapelle den Rosenkranz beten. Da das kleine
Kirchlein nicht geheizt werden konnte, war es im Winter gestattet, die vorgeschriebenen
Gebete auch in der Stube zu verrichten. Das Tragen der uniformen (Armen-)Kleidung
beim Kirchenbesuch und bei Prozessionen – im Haus wurde aus Gründen der Schonung
des Gewandes darauf verzichtet – war nicht unbedingt beliebt, obwohl es seitens der An-
stalt kostenlos zur Verfügung gestellt wurde, da es einer Stigmatisierung gleichkam und
die Armen sofort erkenntlich machte. Allerdings bot diese „Uniform“ zugleich auch den
Schutz der kirchlichen und weltlichen Obrigkeit, denn nur „wahrhaft“ Arme hatten das
Recht, diese Kleidung zu tragen12.
Das für uns heute selbstverständlich gewordene Frühstück wird in der Lambacher In-
struktion nicht erwähnt – das Dreimahlzeitensystem begann sich erst im 18. Jahrhundert
tatsächlich durchzusetzen13–, so dass das Mittagessen bereits um 10.00 Uhr eingenom-
men wurde. Zuvor und danach musste das gewöhnliche tischgebett gesprochen werden, um
12.00 Uhr und um 15.00 Uhr hatten die Insassen außerdem einen Rosenkranz in der
Kapelle oder in der Stube zu beten. Das Abendmahl – wiederum mit Tischgebet – erfolgte
um 18.00 Uhr, das Nachtgebet um 19.00 Uhr beschloss schließlich den Tag. Anschließend
sollten sich die Hausbewohner in die ruehe begeben, wehr aber lenger aufbleiben will, deme
soll es in sommer bis neun, in winter aber bis acht uhr zugelassen sein. An den Sonn- und
Feiertagen wurden die Messen und Rosenkranzandachten in der Kloster- und Spitalkirche
abgehalten und man konnte sich nur durch erhebliche Verhinderung davon entschuldigen.
Starb der Abt oder ein Konventsmitglied, hatten die Armen an 30 aufeinander folgenden
Tagen zusätzlich einen Rosenkranz für das Seelenheil des Verstorbenen zu beten.
In der Fastenzeit erhielten die Hausbewohner eine Geldsumme in der Höhe von 1 fl.
30 xr. zur Verfügung gestellt, die in zwei Raten ausgeteilt wurde. Die Sammlung dieses
Almosens dürfte im jeweils vorhergehenden Jahr unter Mithilfe der Armen erfolgt sein,
wobei die im Haus tätige Köchin von der Mithilfe befreit war. Als Gegenleistung für freie
Kost und Logis verlangte das Stift von den Pfründnern das Läuten der Wetterglocken
während eines Gewitters, und dass die jänigen, so nicht leutten, unnter wehrenten wetter
fleissig betten. Die Mithilfe beim Läuten der Glocken – das geweihte Metall und deren
Klang sollten nicht nur die Untertanen auf die drohende Gefahr aufmerksam machen,
sondern auch helfen, die Gefahr bringenden Wolken zu vertreiben14– fand äußerst selten
10 StiftsA Lambach, Schbd. 224, Fasz. E/IV/1 b, Spitalordnung St. Florian 1680; Instruktion Lam-
bach, 1691 Juni 24; Anzengruber, Beiträge 70f.; Ilk, Sozialeinrichtungen 16f.
11 Alle folgenden Zitate nach der Instruktion von 1691.
12 Scheutz–Weiss, Spitäler 222f.
13 Dies., Ort der Armut 189.
14 Weiss, Colloredo-Verbote, Kap. „Der Kampf gegen das Wetterläuten und -schießen“ mit weiterer
Literatur.
Spital als Lebensform
Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Spital als Lebensform
- Untertitel
- Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Scheutz
- Alfred Stefan Weiß
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79639-8
- Abmessungen
- 17.5 x 24.7 cm
- Seiten
- 432
- Kategorie
- Medizin