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VIII.4 Niederösterreich: St. Pölten – Bürgerspital (Kommentar Nr. 126–130) 267
VIII.4 Niederösterreich: St. Pölten – Bürgerspital
(Kommentar Nr. 126–130)
In der seit dem späteren 15. Jahrhundert in landesfürstlicher Hand befindlichen Stadt
St. Pölten (seit 1753 Kreisamt des Viertels ober dem Wienerwald) wird erstmals ein dem
Heiligen Ägidius geweihtes Klosterspital im Chorherrenstift vor 1140 erwähnt, das im
Spätmittelalter durch die noch 1501 belegte „Sand Gilgen zech im kloster“ verwaltet
wurde1. Die Bürgerstadt gründete um 1440 ein Bürgerspital; das 1460 im Ledererviertel
fertig gestellte Gebäude2 befand sich an der Stelle des heutigen bischöflichen Alumnats,
wurde aber nach dem Brand von 1474 nicht mehr aufgebaut. Anstelle des nicht mehr
errichteten Bürgerspitals und des 1489/1490 abgebrannten Klosterspitals wurde das neue
Bürgerspital – also das ehemalige Klosterspital – gemeinsam von Chorrherrenstift und
Bürgergemeinde etabliert und am 5. Mai 1539 (Kirche mit St. Oswald Patrozinium,
geweiht 1489) eröffnet3. Die Verwaltung des Bürgerspitals oblag der Bürgerstadt, doch
behielt der Prälat Mitsprache bei der Bestellung des Spitalmeisters („mit vorwissen aines
yeden regierunden prelaten“4). Zudem hatten die jährlichen Abrechnungen über Einnah-
men und Ausgaben des Spitals nur in Gegenwart des Propstes des Chorherrenstiftes bzw.
eines Beauftragten vorgelegt zu werden. Das von zwei Spitalmeistern5 (je ein Mitglied
des Inneren und ein Mitglied des Äußeren Rates) verwaltete Bürgerspital von St. Pölten
war für alle vier Viertel der Stadt zuständig: Das Markt-, das Holz-, das Lederer- und
auch das dem Chorherrenstift unterstehende Klosterviertel (sowie ehemalige Stiftsbe-
dienstete) durften Insassen ins Bürgerspital der Stadt entsenden. Nach einem Wahlerlass
vom 22./23. Juli 1705 musste das Bürgerspital für 16 arme Personen (1728 14 Insassen6)
sorgen, die wöchentlich einen Anspruch auf zwölf Pfund Brot (1728) besaßen, die Mei-
ersleute erhielten dagegen wöchentlich 14 Pfund7. Der Spitalmeister bekam 1736 jährlich
30 fl. und wöchentlich zwei Laib Brot. Nachdem die Spitalrechnungen zwischen 1725
bis 1729 zwar gelegt, aber nicht kontrolliert worden waren, beschloss die Regierung die
Durchführung einer Visitation durch eine aus je zwei Mitgliedern des Inneren und Äu-
ßeren Rats bestehende Kommission. Am 18. August 1739 beschied der Stadtrat, jährlich
von zwei Kommissaren eine Visitation im Bürgerspital durchführen zu lassen, schon 1725
waren Unregelmäßigkeiten in der Rechnungslegung aufgetreten8. Maria Theresia beauf-
tragte 1743 den Wahlkommissar mit einer genauen Prüfung der Wirtschaftsverhältnisse
des Bürgerspitals, was zur Absetzung des Spitalmeisters Johann Jakob Trinkl führte9. Die
Gaisruckschen Reformen (Auszug Edition Nr. 126, S. 885–887) brachten, wie in den
1 Helleiner, Zur Geschichte 6; Überblick bei Gutkas–Lenk, St. Pölten 52f.; Gutkas, St. Pölten;
Karl–Brückler, Kunstdenkmäler der Stadt St. Pölten 187f.; bester Überblick bei Helleiner, Zur Geschichte.
Siehe auch die Stadtkarte im ÖStAtlas.
2 Siehe den Eintrag im Urbar der Herrschaft von St. Pölten: „Der stat haws auf der stainprugk [Über-
brückung des Ledererbaches], darauf das new spital leyt“, Helleiner, Zur Geschichte 7.
3 Herrmann, Geschichte St. Pöltens I 309–316; Karl–Brückler, Kunstdenkmäler der Stadt St.
Pölten 249.
4 Helleiner, Zur Geschichte 8.
5 Schuster, Wirtschaftsgeschichte 124f. (mit Spitalrechnungen 1614–1655); Hübner, Studien 37f.
6 Schönfellner-Lechner, Krems und St. Pölten 335.
7 Enz, Finanzgeschichte 124.
8 Schönfellner-Lechner, Krems und St. Pölten 335.
9 Enz, Finanzgeschichte 125; Lutz, Stadt und Herrschaft 146.
Spital als Lebensform
Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Spital als Lebensform
- Untertitel
- Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Scheutz
- Alfred Stefan Weiß
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79639-8
- Abmessungen
- 17.5 x 24.7 cm
- Seiten
- 432
- Kategorie
- Medizin