Seite - 298 - in Spital als Lebensform - Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Band 1
Bild der Seite - 298 -
Text der Seite - 298 -
298 Kommentare
Waisen- und Arbeithauses ließ man „durch die eigends annehmende Schul- und andere
Lehr-Meister zum Theil im Lesen, Schreiben, und Rechnen, mehrentheils aber im Spin-
nen, Stricken, Tuch- und Käppel-machen, auch anderer gemein-nützlicher Arbeit“ unter-
richten. Im mit rund 150 Personen belegten Zuchthaus wurde neben „Zucht- und Ehr-
barkeit“ und einem zwei Mal täglich zu verrichtenden Gebet vor allem „Leinwad, Zwilch,
Strümpf, und andere Waaren“ erzeugt, die auf den Jahr- und „Tändel-Märkten“ oder
in den offenen Gewölben der Stadt zum Verkauf angeboten wurden6. Die Arbeitenden
entlohnte man täglich je nach Arbeitsleistung mit 3, 4 oder 5 xr. – dies entsprach dem
täglichen Verpflegungssatz von bedürftigen Armen, bei Unterschreitung des täglichen
Arbeitssolls wurden die Essensrationen gekürzt. Die organisatorisch schwierige Einbrin-
gung der „Spektakelgelder“ führte allmählich zur Umstellung der Einkünfte auf Pauschal-
summen: Die Hoftheater mußten gegen Ende des 18. Jahrhunderts jährlich 1.200 Gul-
den, die Inhaber des Hetztheaters jährlich 300 Gulden, das Theater an der Wien ebenfalls
300 Gulden, das Theater in der Leopoldstadt 250 Gulden und die Josefstadt 60 Gulden
abführen. Daneben erhielt das Zucht- und Arbeitshaus durch das Tabakgefälle 1.300 Gul-
den und durch den Spielkartenverkauf 1.500 Gulden an Einnahmen sowie kleinere Abga-
ben (Billardspiel, Marktabgaben, Legate)7.
Nach dieser Umbau- und Erweiterungsphase – 1722 forderte eine durch die katast-
rophalen sanitären Umstände hervorgerufene Epidemie mehrere Tote – wurden die Kri-
minellen 1726 im alten Gebäudeteil, die arbeitenden Personen dagegen in den neuen
Gebäudeteilen untergebracht; eine (vorübergehende) Trennung von Arbeits- und Zucht-
haus zeichnete sich 1723–1726 ab. Eine zweite, dem Heiligen Lorenz gewidmete Kapelle
6 Ebd. 160.
7 Hartl, Wiener Kriminalgericht 128.
Abb. 56: Wien; Zuchthaus (Wien II., Leopoldsgasse, Krummbaumgasse) auf dem Plan von Joseph Daniel
Huber. Drei Häuser (ehemalige Judenstadt) wurden 1671/73 zum Zucht- und Arbeitshaus (mit Kapelle Hl.
Antonius) (Demolierung des Hauses 1888) (Quelle: Privatarchiv der Autoren).
Spital als Lebensform
Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Spital als Lebensform
- Untertitel
- Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Scheutz
- Alfred Stefan Weiß
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79639-8
- Abmessungen
- 17.5 x 24.7 cm
- Seiten
- 432
- Kategorie
- Medizin