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her Niemand vorgefunden, der philosophisch hätte nachweisen wollen,
daß irgend eine Nation ans Liebe oder Achtung vor einem anderen
Bolle verpflichtet gewesen wäre, für dasselbe in den Tob zu
gehen.
Sehen wir nun folgende Prämissen: 1) Im »sterrelchlschen
Staate soll Recht und Gesetz (d. h. der staatliche Gefammtwille)
und keineswegs materielle Gewalt oder Willkür herrschen; 2) der
österreichische Staat ist aus verschiedenartigen Nationalitäten zu-
sammengesetzt; 3) lein Voll besitzt Anrechte auf eine andere Na-
tion und kann und darf letztere nicht als Mittel zu seinen speciel-
len Zwecken benützen — so sehe ich wirklich nicht ein, wie man
aus solchen Prämissen, falls man nicht den handgreiflichsten Trug-
schluß begehen will, etwas anderes folgern könnte, als das Glelch-
berechtigungsprincip aller Böller Österreichs. Wer sich diesem
Grundsätze widersetzt und ihn auch theoretisch läugnet (wie z. B.
die Ungarn im I. 1848 gethan haben, früher also, bevor sie ihn
nicht lange vor der Katastrophe bei Vilägozz, in Szegedin, Juli
1849, anerkannten), muß zuerst entweder Alle, oder wenigstens.
Eine von den vorangehendm Prämissen widerlegen, und es ist
wenig daran gelegen, in welcher Ordnung sie gestellt werden. Wer
jedoch das Princip in der Theorie zugiebt, seiner praktischen
Durchführung aber sich widerfetzt: welchen Namen soll man
einem solchen Weltweisen betlegen?
Indessen dürfen wir es uns leider nicht verhehlen, daß
der Widerstand gegen die praktische Durchführung des Glelch-
berechtigungsprincipes nicht bloß von den Theilnehmern der Reichs-
nnd Landesregierung in Österreich ausgeht, sondern daß er sich
noch hartnäckiger im Geiste und in der Gesinnung einiger Völker
gegen die übrigen kundgiebt; treffen wir ja diesen Geist klar genug
ausgesprochen bei den Deutschen und Magyaren und theilweise
auch bei den Polen und Italiänern. Da jedoch die Wirksamkeit der
beiden zuletzt genannten Nationen in dieser Beziehung minder
mächtig und bei den Italiänern auf das adriatische Küstengebiet,
bei den Polen nur auf einen Theil Galiziens beschränkt ist, so
werde ich mich hier eines längeren nicht mit ihnen beschäftigen.
Auf alle diese Böller läßt sich zugleich zutteffend der bekannte
Palaclch: Österreich'« Staatsid«. 2
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Österreichs Staatsidee
- Titel
- Österreichs Staatsidee
- Autor
- Franz Palacký
- Verlag
- I. L. Kober Verlag
- Ort
- Prag
- Datum
- 1866
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 14.7 x 21.5 cm
- Seiten
- 110
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918