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Schule, sondern in den gesammten staatlichen Organismus als
unbeschränkte Gebieterin die alleinseligmachende magyarische Sprache
wieder eingeführt. Welche Zwangsmaßregeln, welch' hohnsprechende
Ungerechtigkeiten von dieser Zeit an die Slovaken nicht nur in
den Ämtern, sondern auch im gesellschaftlichen Leben, besonders
vyn einigen nationalen Renegaten erdulden, braucht hier nicht aus-
einandergelegt zu werden, da es ja allgemein hinlänglich bekannt
ist. Diese absichtliche und systematische Magyarisirung ist ein
schmerzliches und höchst bedenkliches Geschwür am Staatstörper
Österreichs; trifft man nicht eine baldige Abhilfe, so geräth Ge-
sundheit und Leben des gesammten Körpers in Gefahr. Ich bin
nicht und war auch nie Feind der Magyaren; ich habe in meiner
Jugend viele Jahre im trauten Verkehr mit ihnen gelebt, mit
vielen von ihnen Freundschaft geschlossen und habe auch die tieferen
Gründe erkannt, die sie in Sachen der Nationalität zu extremen
Wünschen und Bestrebungen antreiben und ihr Benehmen, wenn
auch nicht rechtfertigen, so doch erklären können. Schmerzlich fühlen
sie ihre Vereinsammung unter den europäischen Völkern; seitdem
ihnen der berühmte Herder vorausgesagt, daß sie im Verlaufe der
Zeit in dem Meere dieser Völler untergehen werden und Kaiser
Joseph II diesen Zeitraum abzukürzen begann oder wenigstens den
Anschein hatte, dies thun zu wollen, erwachten sie wie zu einem
. neuen Leben und schafften mit ihrer natürlichen Energie alle mögli-
chen Hülfsmittel zur Abwehr gegen das drohende Verderben. Zu-
dem wurden sie noch durch die Bemerkungen und Berechnungen
einiger Statistiker angespornt, die da behaupteten, daß die ma-
gyarischen Ehen von Natur aus weniger fruchtbar zu sein Pflegen,
als z. B. die slowakischen und rumänischen, und daß daher ihre
Nation stets im Abnehmen, andere Völker dagegen im Zunehmen
begriffen sein müssen. Durch alles dies bildete und verbreitete sich
unter ihnen anderen Nationen gegenüber eine gewisse Besorgniß
und jenes Streben, dessen sie sich vielleicht selbst nicht hinlänglich
bewußt sind, das aber mächtig ihr Herz und ihren Geist beherrscht,
und sich wohl durch die nachfolgende Phrase formuliren läßt (man
verzeihe mir das gemeine aber treffende Wort): „Friß ich dich
nicht, so frißst du mich." Daher schreiten sie entschieden und
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Buch Österreichs Staatsidee"
Österreichs Staatsidee
- Titel
- Österreichs Staatsidee
- Autor
- Franz Palacký
- Verlag
- I. L. Kober Verlag
- Ort
- Prag
- Datum
- 1866
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 14.7 x 21.5 cm
- Seiten
- 110
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918