Seite - 27 - in Österreichs Staatsidee
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aber die fast gleichzeitig mit uns angelangte. unerwartete und be-
täubende Nachricht von der Ermordung des Grafen Lamberg auf
der Pester Brücke bewog doch die Regierung, daß sie dm Ban
Ielaii l zum Kommandirenden in Ungarn ernannte. Der Contre-
coup, die Wiener Revolution vom 6 Oktober und ihre Folgen,
find allgemein bekannt.
Es war vielleicht überflüssig, diesen Borfall als Beleg anzu-
führen, da es selbstverständlich zu fein scheint, baß, wenn ich die
Existenz eines Staates wie Österreich von jeher für wünfchens-
werth erachtete, ich stets nur ein allen feinen Völkern gleich ge-
rechtes Österreich und eine Regierung im Sinne hatte, die sich
allen gleichmaßig als Mutter, keinem von ihnen als Stiefmutter
erwiese. Mit andern Worten ist dieselbe Ansicht schon unzühlige-
mal dahin ausgesprochen worden, daß die Regierung in Österreich
weder deutsch noch magyarisch, nicht slavifch ober romanisch, fondern
im höheren und allgemeinen Sinne österreichisch, d. i. allen ihren
Angehörigen eine gleich gerechte fein foll.
ES giebt wohl in unferen gesellschaftlichen Verhältnissen eine
Art Gerechtigkeit, die wir uns durchaus nicht wünschen, gegen die
wir sogar mit aller unserer Kraft entschieden Protestiren. Wenn
ein Hausvater seine Kinder, Freunde und Gäste zum Mahle ein»
ladet und der Dienerschaft befiehlt sie zu bedienen und sich allen-
falls mit den Überbleibseln und Abfällen des Gastmahls zufrieden
zu stellen, so begeht er freilich leine Ungerechtigkeit, da sich ein
derartiges Verhältniß aus dem Dienstvertrage ergiebt. Wenn man
aber verlangt, daß alle die VortheUe, die ein großer Staat zur
Bildung des nationalen Geistes bietet, nur der einen oder andern
auserwählten Nation zu Guten kommen, die übrigen Völker aber,
und würden sie zur Machtstellung und zum Gedeihen des Ganzen
auch noch so viel beitragen, sich stets mit dem begnügen sollen,
was man ihnen im Gnadenwege und wohl noch mit dem Be-
merken zukommen läßt, daß sie ja mehr nicht brauchen, oder daß
es für sie eigentlich gar nicht paßt — ein solches Ansinnen ver-
letzt nicht nur offen alles Necht und alle Gerechtigkeit, fondern da
es dem Hohne: «Wir sind die Herren, ihf aber Diener" gleich-
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Buch Österreichs Staatsidee"
Österreichs Staatsidee
- Titel
- Österreichs Staatsidee
- Autor
- Franz Palacký
- Verlag
- I. L. Kober Verlag
- Ort
- Prag
- Datum
- 1866
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 14.7 x 21.5 cm
- Seiten
- 110
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918