Seite - 39 - in Österreichs Staatsidee
Bild der Seite - 39 -
Text der Seite - 39 -
3«
der Kaiser kraft der erwähnten pragmatischen Sanction ermächti 9
war, auf daß nämlich die Einheit und Macht des Gesammtstaates
darunter yicht leide. Darüber jedoch, wie diese Macht und Ein-
heit des Reiches mit der Freiheit der Völker zu vereinigen wäre,
sollten nunmehr die Völker selbst im Vereine und Einverstündnisse
mit ihrem Herrscher entscheiden. Die Tragweite dieser That ge-
winnt noch dadurch an Bedeutung, daß sie nur ans inneren
Grünben geschah, aus der gerechten Erwägung aller staatlichen
Bedürfnisse und der «Erfüllung der Negentenpflicht", und keines-
wegs etwa durch einen äußeren, wie immer gestalteten Zwang.
Aus dem Geiste dieser That ergeben sich von selbst folgende
zwei Grundsätze: 1) daß die gesetzgebende Gewalt von nun an
zwischen dm Monarchen und die Böller vertheilt ist und zwar so,
daß sie weder der Monarch allein, ohne die Beistimmung der
Böller, noch auch die Völker ohne die Beistimmung des Monar-
chen ausüben dürfen und können; 2) daß bei der Ausübung der
gesetzgebenden Gewalt thunlichst Rückficht genommen werden soll
einerseits auf die Mittel, durch die die Einheit und Macht des
Gesammtstaates erhalten wird, anderseits aber auf die verschiedenen
Charaktere, historischen Traditionen und Bedürfnisse der Völker,
oder mit anderen Worten, daß auf den Landtagen in Öfterreich so-
wohl für die mannigfaltigen Lebensfragen der verschiedenen Völler,
als für die Einheit und Untheilbarkeit des Reiches gesorgt wer-
den soll.
Dies ist also der ausgezeichnete Geist und Inhalt des '
Ottoberdiploms, der wohl von Niemanden in Zweifel gezogen
werden kann und auch allgemeine Anerkennung findet. Was aber
feine Form oder Textuirung anbelangt, so wird man nicht un-
bemerkt lassen können, daß sie Spuren einer gewissen, wenn auch
nicht Übereilung, so doch einer unheilsamen Eile, fast sogar auch
Spuren von heterogenen oder wohl einander widersprechenden Ein-
fiüßen an sich trägt. Zum Beweise des Gesagten führe ich das
verhängnisvolle Alinea im ß 3 an, welches mit den Worten:
„Nachdem jedoch" beginnt, in dem es sich der Monarch vorbehält,
dem Reichsrathe selbst auch solche Angelegenheiten der Gesetzgebung
zur Verhandlung zu übergeben, die eigentlich nicht ausschließlich
zurück zum
Buch Österreichs Staatsidee"
Österreichs Staatsidee
- Titel
- Österreichs Staatsidee
- Autor
- Franz Palacký
- Verlag
- I. L. Kober Verlag
- Ort
- Prag
- Datum
- 1866
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 14.7 x 21.5 cm
- Seiten
- 110
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918