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in seiner Kompetenz liegen. Dieses Alinea tonnte und sollte deutli-
cher und präciser stilifirt werden, auf daß alle nicht überein-
stimmenden, ja einander widersprechenden Deutungen desselben
beseitigt würden. Der Herrscher, der das Recht der Böller zur
Mitwirkung bei der Gesetzgebung anerkannte und wollte, daß ihre
historischen Rechte, insofern sie der Einheit und Machtstellung des
Reiches nicht im Wege stehen, Anerkennung und Geltung finden,
hatte gewiß und tonnte auch nicht die Absicht haben, z. B. die
einseitig centralisirende und nivellirende Richtung der ehemaligen
obersten Hoftanzlei für immer zu bestätigen, die weder mit den
Wünschen der böhmischen Nation, noch mit der Verfassung und
den Rechten des Landes, weder mit den hundertfachen Berschreibun-
gen, Reversen und Eidschwüren aller gekrönten Könige Böhmens
bis auf den noch lebenden Ferdinand V, ja nicht einmal mit dem
wahren und dauernden Vortheile des Reiches verträglich war.
Einer weiteren Erwähnung und Erwägung ist auch der Umstand
werth, daß das Diplom, wenn es von solchen außerordentlichen
Vorfällen spricht, stets nur das Wort „Behandlung" und keines-
wegs auch „Erledigung, Entscheidung", gebraucht, so daß nach der
„Behandlung" der Angelegenheiten an einem Orte, ihre endgiltige
Erledigung und Entscheidung an andern Orten (d. h. in den
Landtagen) hätte geschehen können und auch sollen. Eine solche
Erklärung dieses Alinea's hat auch im Sinne der Autonomsten
nichts Anstößiges in sich, da sich recht gut Borfälle denken lassen,
in denen eine gemeinschaftliche Verständigung aller Böller auch
in solchen Angelegenheiten als wünschenswert sich herausstellen
kann, die nicht gerade die Einheit und Machtstellung des Reiches
angehen. Aber in den Kreisen der Wiener Bureaulratie, (die sich
des Gedankens nicht entfchlagen kann, daß das Heil Österreichs
ewig nur von ihrer Bevormundung der Völker abhängt) herrschte
andauernd eine entgegengesetzte Gesinnung und Tendenz vor und durch
ihren Einfluß wurde die nur fakultative Berechtigung und Be-
fähigung später in einen kategorischen Imperativ umgewandelt
und zugleich anbefohlen, daß mit Ausnahme der Länder der un-
garischen Krone alle erwähnten Bedürfnisse der Böller und Länder
gemeinschaftlich (im engeren Reichsrath) behandelt und erledigt
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Buch Österreichs Staatsidee"
Österreichs Staatsidee
- Titel
- Österreichs Staatsidee
- Autor
- Franz Palacký
- Verlag
- I. L. Kober Verlag
- Ort
- Prag
- Datum
- 1866
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 14.7 x 21.5 cm
- Seiten
- 110
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918