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werden follen und muffen. Jeder unparteiische und nicht vorein-
genommene Richter wird gewiß zugeben, daß ein jeder Satz, in
dm man einen fo verschiedenen, ja felbst widersprechenden Sinn
legen lann, nicht Nar genug und daher mangelhaft ist. Und doch
berufen sich sowohl auf das Diplom felbst, besonders aber auf
das erwähnte Alinea alle drei einander bekämpfenden Systeme und
Parteien, die centraliftlfche nlmlich, dualiftifche und föderalistische.
Die erste führt als Beweis an, daß das Patent vom 26. Februar
1861 felbft nur das zur That gewordene Oltoberdiplom fein will;
die zweite weift darauf hin, daß ja das Diplom felbst den Unter-
schied zwischen den Lindern der ungarischen Krone und den übrigen
Lindern in der Gesetzgebung hervorhebt; die letzte behauptet endlich,
daß sie die thatsichliche Durchführung des Diploms in feiner, ur-
sprünglichen unzweifelhaften und gefunden Bedeutung beabsichtige.
Daß auch von den hervorragendsten österreichischen Staats-
minnern nicht alle sofort in den Geist der neuen Epoche, die durch
das Oltoberdiplom begründet wurde, einzudringen verstanden, be-
weisen gleich beim Beginne die zwei bisherigen Staatsminifter,
Graf Goluchowsti und Ritter Schmerling selbst. Dem Erster«
schien sogar aller politische Takt abhanden gekommen zu sein, da
er gleichzeitig mit dem Ottoberdiplom, welches ausdrücklich die
Gleichheit aller Stinde vor den Gesetzen gewihrleistete, jene Pro-
vinzialstatute zu publiciren anfieng, die bereits unter feinem Bor-
ginger, dem Minister Nach, formullrt und auf dem feudalen
Princip der Stindeverfchiedenhe.it bafirt waren. Es scheint jedoch,
daß auch Ritter Schmerling bei seiner Publicirung des Februar-
patentes den Geist des Ottoberdiploms nicht richtig genug be-
griffen oder wenigstens erwogen hatte. Wenn fchon der Herrfcher
selbst freiwillig und auf die feierlichste Weife darauf Verzicht ge-
leistet hatte, daß man den Unterthanen nur einseitig und ohne
ihre Einwilligung Gesetze auferlege, Hütte da nicht vor Allem
zwifchen ihm und den Untetthanen irgend ein Übereinkommen über
das Gefetz der Gesetze d. h. über die Eonftltutionscharte ober
über die Art geschehen follen, auf welche Weife künftighin Staats-
gefetze zu Stande kommen und durchgeführt werben follen? Wohl
weiß ich, daß man durch das beobachtete Vorgehen verschiedenen
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Buch Österreichs Staatsidee"
Österreichs Staatsidee
- Titel
- Österreichs Staatsidee
- Autor
- Franz Palacký
- Verlag
- I. L. Kober Verlag
- Ort
- Prag
- Datum
- 1866
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 14.7 x 21.5 cm
- Seiten
- 110
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918