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Widerspruch und Unterschied muß auch in die schwächsten Augen
selbst solcher Leute fallen, die sich auf politische Verhältnisse nicht
im mindesten verstehen. Aber unterlassen kann und darf ich nicht,
auf jene verhängnißvolle Verordnung im Februarpatente aufmerl-
sam zu machen, der zu Folge auch jene Angelegenheiten der Ge-
setzgebung, die die gemeinschaftlichen NeichSverhsltnisse oder die
Einheit und Machtstellung des Staates nicht berühren, dem Central-
reichsrath und den Landtagen zugleich zugewiesen und zugetheilt
werden, freilich auf eine solche Art, daß der Löwenantheil dem
Ueichsrathe zufällt. Wer sieht es nun nicht, daß bei einer solchen
Bertheilung zwischen zwei Faktoren dem Competenzstreite auf so lange
kein Ziel und lein Ende sein kann, als nicht einer von ihnen
endlich in eine solche Stellung gebracht wird, in der er zum
bloßen Schatten ohne Realität, Kraft und Leben herabsinkt? Haben
wir ja bereits im ersten Luftrum der Wirksamkeit des Februar-
patents gesehen, wie Versuche und Anträge zur Lentrallsirung des
gefammten öffentlichen Unterrichtswefens, ja sogar des Justiz- und
Gerichtswesens gemacht wurden, und die Minister nicht aus principi-
ellen, fondern nur aus Opportunitätsgründen ihnen widersprachen.
Auf daß aber ja lein Zweifel über die Aufrichtigkeit solcher An-
schauungen und Tendenzen entstehe, entscheidet der Reichsrath schon
jetzt in der Finanzfrage nicht nur über gemeinsame und Eentral-
departements, die ihm im Diplom ausdrücklich zugetheilt wurden,
fondern auch über solche Angelegenheiten, die das Diplom den
Landtagen zuweift, wie z. B. die politische Landesverwaltung, das
höhere und niedere Schulwesen, das Gerichtswesen usf.; so daß
den Landtagen durch Wegnahme der Disponirung über den uervu8
rvrnm von vorhinein aller entscheidende Einfluß auf diese An-
gelegenheiten benommen wird. Ja auch das haben wir bereits
auf den Landtagen hören müssen, daß die politischen Angelegen-
heiten überhaupt, und nicht etwa die der äußeren Politik allein,
w ihrer Eompetenz nicht miteinbegriffen find. Wer wird nnter
solchen Umständen so stumpfsinnig fein, daß er nicht das soos
voraussehen sollte, welches die Landtage in nicht weiter Zukunft tref-
fen muß? wer kann noch im Zweifel sein, daß das parlamen-
tarische Leben, ohne das es künftighin für eine Nation nicht nur
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Buch Österreichs Staatsidee"
Österreichs Staatsidee
- Titel
- Österreichs Staatsidee
- Autor
- Franz Palacký
- Verlag
- I. L. Kober Verlag
- Ort
- Prag
- Datum
- 1866
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 14.7 x 21.5 cm
- Seiten
- 110
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918