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in Öfterreich auf ein täglich zunehmendes Gedeihen der dualisti-
schen Principien.
Was ist aber der Dualismus und welche ist die Bedeutung
desselben? Es läßt sich wohl leichter darauf antworten, was er in
Österreich war und ist, als was er künftighin fein soll. Es sind
erst etwa hundert Jahre verflossen, seitdem die Wiener Staats-
männer in ihrer immer entschiedeneren und kühneren Eentralisatlon
und Uniformlrung des Reiches angefangen haben, die historischen
Rechte der Länder, nunmehr bereits nur „Kronländer" benannt,
immer mehr und mehr außer Acht zu lassen. Widerstand er-
hob sich dagegen überall, wurde aber nur in Ungarn entschieden
und consequent, sowohl beim Tode Joseph II als später unter
Franz I geführt; Ungarn allein bewahrte, bei all' den feindlichen
Versuchen und bei allem Mißgeschick, bis zum I. 1848 sein con-
stitutionelles Leben und seine Autonomie in Form und Wesen zu-
gleich, während dem in Böhmen und den übrigen Ländern nur
alte Formen zumeist, ferner einige alte Titel und Ceremonien,
jedoch ohne wesentliche Bedeutung belassen wurden. Der bisherige
Dualismus bedeutete also eine zweifache und verschiedene Re-
gierung; in der einen Hälfte constitutionell, in der anderen ab-
solutistisch; seit dem I. 1848, besonders aber seit dem I. 1860
änderten sich die Verhältnisse nur in so fern, als dort, wo früher
absolutistisch regiert wurde, nunmehr (exeoptig bxcipionäi3) ver-
fassungsmäßig regiert wird, in Ungarn aber seitdem das Kriegs-
gericht waltet.
Es dürfte wohl, nebenbei gefagt, die Bemerkung nicht über-
flüssig sein, daß der eben geschilderte Dualismus Spuren von
mehr oder weniger revolutionärem Ursprung an sich trägt, da er
nur durch Verkümmerung und Verletzung der historischen Ver-
fassungsrechte entstehen tonnte; geschieht dies durch einseitige Ge-
walt so kann es stets und überall nur revolutionäre Thätigteit
genannt werden, mag es von Oben oder von Unten ausgehen.
Dagegen kann man mit Recht die ganze ältere Periode der öster-
reichischen Geschichte, in wieweit nämlich ein jedes Land seinen
eigenen Rechtstraditionen nach verwaltet wurde, als die föderalisti-
sche Periode bezeichnen.
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Buch Österreichs Staatsidee"
Österreichs Staatsidee
- Titel
- Österreichs Staatsidee
- Autor
- Franz Palacký
- Verlag
- I. L. Kober Verlag
- Ort
- Prag
- Datum
- 1866
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 14.7 x 21.5 cm
- Seiten
- 110
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918