Seite - 58 - in Österreichs Staatsidee
Bild der Seite - 58 -
Text der Seite - 58 -
58
schwanden, als man einsah, daß auch einige der treuesten Räthe
der Krone und der Dynastie zu den von Föderalisten verfochtenen
Grundsätzen beigetreten waren; endlich verstummten diese Pharifäer-
stimmen vollständig, als der erhabene Monarch selbst im Oktober-
diplom ein in seiner Wesenheit föderalistisches System für die
künftige Grundlage des Reiches erklärte. Nunmehr wird wohl jeder
Vernünftige eingesehen haben, daß der österreichische Föderalismus
ein Föderalismus 5M ßeueris sei, der sowohl vom schweizerischen,
als dem deutschen und Nordamerika«ifchen verschieden ist; und ich
glaube, daß auf ihm ganz besonders „Österreichs Staatsidee" be-
ruht und begründet ist.
Das hauptsächlichste Merkmal und zugleich die Wesenheit der
föderalistischen Verfassung besteht im Unterschiede, den man zwi-
schen Reichs-und Landesangelegenheiten und daher auch
zwischen der einheitlichen R e i ch s- und den mannigfachen Landes«
regierungen macht. Dieser wesentliche Unterschied dient bereits
dem Oktoberdiplom zur Basis und ist in ihm klar ausgesprochen,
wogegen er centralistischen Regierungen, wie z. B. der französischen,
vollständig fremd ist. Selbst das Februarpatent, das sich auf das
Diplom beruft, konnte nicht umhin, einige Concessionen dem föde-
ralistischen Principe zu machen, die seinem centralistischen Wesen
und Geiste eigentlich fremd waren; ich habe jedoch bereits nach-
gewiesen, wie diese Concessionen nach und nach allen Boden ver-
lieren und auch verlieren müssen, bis sie vollends verschwinden
werden. Auch das ungarische Programm des Dualismus in seiner
dritten von mir erwähnten Form, macht Concefsionen dem föde-
ralistischen Grundsätze; indessen läßt sich nicht absehen, wie lange
dies andauern wird, wenn fein angeborenes Streben, den Schwer»
Punkt des Reiches in Pest zu flfiren, erstarken würde. Durch
solche Concefsionen brachte sowohl der Eentralismus als der
Dualismus jenem Principe eine Art von Huldigung dar, da sie
dessen Zweckmäßigkeit und Nützlichkeit für Österreich nicht voll-
ständig in Abrede stellen können; aber es scheint, daß es beiden nur al«
übergangsform dienen, keineswegs aber ihr endliche« Ziel bilden sollte.
Unter die centralen Reichsangelegenheiten gehören nach den
föderalistischen Anschauungen und auch nach dem Diplome
zurück zum
Buch Österreichs Staatsidee"
Österreichs Staatsidee
- Titel
- Österreichs Staatsidee
- Autor
- Franz Palacký
- Verlag
- I. L. Kober Verlag
- Ort
- Prag
- Datum
- 1866
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 14.7 x 21.5 cm
- Seiten
- 110
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918