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nuität verletzten. Gestützt auf das natürliche Recht verwerfe ich
ebenso entschieden, wie nur Jemand auf der Welt, die berüchtigte
Berwlrtungstheorie: aber fast alle internationalen und ein großer
Theil der staatsrechtlichen Verträge kommen insgemein durch ein
gewißes Compromis zwischen dem Naturrechte und dem sogenann-
ten Rechte des Stärkeren Hu8 lortioris), welches denn eigentlich
das Recht (oder vielmehr) Unrecht der Gewalt ist, zu Stande;
und es scheint mir keineswegs ganz consequent gehandelt zu fein,
wenn sich Jemand auf solche Verträge beruft und in ihnen immer
nur das natürliche Recht und nicht auch ihren zweiten constitui-
renden Theil im Auge behalten will. Ich übergehe jedoch solche
heikle Erörterungen und erlaube mir nur dieses Dilemma zu stel-
len: die Ungarn und namentlich die Magyaren wollen entweder
nur Freiheit oder auch Herrschaft zugleich. Wollen sie nur Frei-
heit, so haben sie natürlich das Recht, auch ihre Garantien zu
verlangen; die Sucht nach Herrschaft aber müßte offenbar wieder
jenes ju8 lortiorig herbeiführen, das, wie bekannt, nicht mit der
Feder in der Hand discutirt wird. Dass aber anderseits die un-
garische Verfassung neue und mächtige Garantien dadurch erhalten
würde, wenn sie in Böhmen, Galizien uff. fo zu sagen verviel-
facht oder wenn dort Institutionen nach ihrem Beispiele einge-
führt würden, darüber werden hoffentlich auch sie keinen Augenblick
ln Zweifel sein.
Weiter machen die Ungarn den Einwurf, daß ihr Landtag
von jeher das Recht befaß, Steuern und Rekruten zu bewilligen:
weil aber in diesem Rechte eine der wichtigsten Garantien der
freien Verfassung beruhe, so bedeute der Wegfall desselben fast
ebenso viel, wie die Wegnahme der Konstitution überhaupt. Und
doch wollen ihnen die föderalistischen Principien dieses Recht keines-
wegs nehmen, sondern verlangen nur, daß die Durchführung des-
selben passender und den Umständen angemessener betrieben werde.
Die Wehrkraft kann in allen Ländern des Reiches nur eine und
dieselbe fein; kein einziges Dorf, das innerhalb unserer Marken
liegt, kann von fremden Feinden mit Gewalt überfallen und be-
schädigt werden, ohne daß das gesammte Reich dadurch verletzt
und nichtzum Widerftande gereizt würde; und gewiß würden z.B. die
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Österreichs Staatsidee
- Titel
- Österreichs Staatsidee
- Autor
- Franz Palacký
- Verlag
- I. L. Kober Verlag
- Ort
- Prag
- Datum
- 1866
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 14.7 x 21.5 cm
- Seiten
- 110
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918