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Ein Meer von verschiedenen Gedanken wogt noch in meinem
Herzen und meinem Kopfe — aber ich fühle, daß ich nach einem
solchen Worte nicht weiter reden kann. Zudem habe ich ja genug
gesagt, daß ein Jeder, der nur den Willen hat, meine Worte voll-
ständig begreifen kann. Auch habe ich nicht etwa in der Hoffnung
das Wort ergriffen, daß meine Rede irgendwie Einfluß auf den
faktischen Verlauf der Ereignisse haben könnte. Keineswegs. Ich
bin mir der Unzulänglichkeit meiner Kräfte dazu schon. längst be-
wußt, und kenne auch ganz wohl alle die mächtigen Vorurtheile
und Leidenschaften, die sich meinen Worten, und wären sie wie
immer geartet, immer entgegenstellen werden. Ich habe nur meine
Pflicht nach Möglichkeit erfüllen wollen, damit mir einst mein Ge-
wissen keine Borwürfe mache, daß ich nicht, so lange es noch nicht
zu spät war, vor Gefahren gewarnt habe, die vielleicht nicht ein
Jeder in dieser Art und mit dieser Gewißheit, wie es mir möglich
war, voraussehen kann. Daher hätte ich es auch für unmännlich
gehalten, noch ferner zu zügern und nicht auch das letzte Wort
auszusprechen.
Um die publiciftischen und journalistischen Plänkeleien, die
meine Worte bereits erregt haben oder noch erregen werden, küm-
mere ich mich wenig. Das berüchtigte Wort des Ministerlardinals
Richelieu: voune? woi äsux lignos ä' un llolnme ot Ho von»
Io tsrai psnsrv, hat wohl in unseren Tagen keine wörtliche Gel-
tung mehr; wenn es aber immer leicht bleibt, Worte gegen Worte
zu stellen, so kann uns wenigstens jenes Wort darüber belehren,
daß es für Pfiffige Erklärer immer noch nicht unmöglich ist, auch
dort schlechte Absichten herauszuwittern und zu verfolgen, wo sie
das Auge eines Vernünftigen nimmermehr erblicken kann. In
solchen Künsten werde ich Niemanden behindern und auch Nieman-
dem eine Antwort geben, in so lange ich nicht zu der Einsicht
komme, daß durch meine Schuld, Unachtsamkeit oder Undeutllchkeit,
Grund zum wirklichen und wichtigen Mißverständnissen gegeben
wurde. Alles übrige sei nunmehr Gott befohlen!
Prag, den 16. Mai 1865.
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Österreichs Staatsidee
- Titel
- Österreichs Staatsidee
- Autor
- Franz Palacký
- Verlag
- I. L. Kober Verlag
- Ort
- Prag
- Datum
- 1866
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 14.7 x 21.5 cm
- Seiten
- 110
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918