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Österreichs Staatsidee
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89 sie wohl noch nie gehabt hat. Was dem XVI und XVII Jahr- hundert die kirchliche und religiöse Idee war, das ist für unsere Zeit das Princip der Nationalität. Ein Blick auf die neuesten Ereignisse, besonders die des I. 1848, wird davon einen Jeden, der sich belehren lassen will, überzeugen müssen. Wohl hat dieses Princip noch keineswegs den Geist und das Bewußtsein aller Personen, aller Individuen unserer Zeit und unseres Reiches durchdrungen, ja wir läugnen nicht, daß es Vielen sogar zuwider ist, aber trotzdem hat dasselbe, besonders durch die magyarischen Übergriffe eine solche Kraft und Expansion nach Innen 'und Außen erlangt, daß es nach den natürlichen Gesetzen der Weltgeschichte nicht eher vom Schauplatze abtreten wird, bevor es nicht seinen Lauf in allen Stadien einer nawrlichen Entwicklung durchgemacht hat. Alle die Linder und Personen, besonders in Österreich, die heute noch in nationaler Beziehung indifferent oder apathisch sind, werben es nach zehn oder zwanzig oder nach dreisig Iahrm nicht mehr fein, und so erlangen Motive im Staatsleben, die sich auf Nationalitätsverhültnisse gründen und Vielen jetzt noch unbedeu- tend zu sein scheinen, eine immer durchgreifendere Wichtigkeit. Ein jeder Regiernngsmann, der die Wahrheit dieses Satzes sich ver- hehlen oder gar in Abrede stellen möchte, würde sich einer ver- hängnisvollen Täuschung hingeben; thöricht wäre auch jedwedes Eindämmen dieser Strömung der Zeit, und alle menschlichen Er- findungen und Gegenmittel gegen denselben hätten wohl keine andere Wirkung, als das Blasen gegen den Wind, durch das feine Nichtung weder abgewandt noch geändert werden kann. Mehr als ein volles Jahrhundert kämpften einst die Völler von ganz Europa einen grausamen und blutigen Kampf um ihre kirchlichen und religiösen Interessen, bis sie endlich erschöpft zum Frieden sich neigten, d. h. willig waren, die Rechte des Gegners, oder die Gleichberechtigung im Allgemeinen anzuerkennen und zu wahren. Soll denn das Princip der Nationalität zu ähnlichem, langwierigem Blutvergießen, mit dem man im I. 1848 bereits wirklich begonnen hat, führen? Wir hoffen, daß dem Gottlob nicht so sein wird, weil ja dasjenige, wozu sich alle Parteien auch nach bem langwierigsten und blutigsten Kampfe würden verstehen müssen.
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Österreichs Staatsidee
Titel
Österreichs Staatsidee
Autor
Franz Palacký
Verlag
I. L. Kober Verlag
Ort
Prag
Datum
1866
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
14.7 x 21.5 cm
Seiten
110
Kategorien
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