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Österreichs Staatsidee
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Text der Seite - 93 -

«3 weder gar nicht leben, oder wenigstens lein politisches Leben ent- wickeln können. Denn ein Volk, dem jedes nationalpolitische und parlamentarische Leben auf ewig benommen ist, während seine Nachbarn dasselbe in vollem Maaße genießen, muß früher oder später rettungslos als Nation dem Tode verfallen und gegen einen solchen Tob ist auf der Welt „kein Kraut gewachsen." In einen so traurigen Zustand wären dann nicht nur die Oechoslaven und Magyaren, sondern auch die Südslaven und Rumänen ver- setzt; denn auch diese können und wollen sich nicht mit der Hoff- nung zufrieden stellen, daß ihnen vielleicht ihre Stammesgenossen in der Türkei mit dem Beispiele des öffentlichen politischen Lebens vorangehen werden. Alle diese Böller können daher auch beim besten Willen mit der erwähnten Centralisation nicht einverstanden fein, da sie dadurch selbst ihr Todesurtheil unterschreiben und einen Selbstmord begehen würden. Kein ehrlicher Vertreter feines Volkes könnte dem am Reichstage beistimmen; und würde er es auch thun, so zweifeln wir, ob eine solche That rechtskräftig wäre, da ja unsittliche Gelübde und Verbündnisse nach göttlichem und mensch- lichem Rechte als ungiltig betrachtet werden. Was ist also zu thun, daß man diese Verlegenheiten und Zweifel thunlichst beseitige? — Die Abhilfe ist, wenigstens in der Theorie, sehr leicht; aber auch in der Praxis ist sie keineswegs unmöglich. Man verlege einfach einige Artikel des § 36 in den 8 35 und richte darnach die Gefammtverfassung ein. Man braucht nur den einzelnen Völkern Österreichs so viel Autonomie, so viel von freier politischer Bewegung, soviel von eigenem parlamenta- rischen Leben einräumen, als da nothwendig ist, baß die Gleich- berechtigung der Völler, ohne der Einheit des Reiches Abbruch zu thun, zur Wahrheit werde, und daß nicht nur die faltische Gefahr, fondern auch der fchmerzerregende Schein des Helotismus bei den Einen und der Herrschaft bei den Anderen beseitigt werde. So lange die Völ ler Grund haben werden, um ihre Na- t iona l i tä t in Furcht zu sein, so lange wi rd es in Österreich weder Zufr iedenheit noch Frieden geben. Und wenn in dieser Beziehung der Staatsorganismus selbst keine Garantien bieten wird, so wird sich das Ministerium vergebens
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Österreichs Staatsidee
Titel
Österreichs Staatsidee
Autor
Franz Palacký
Verlag
I. L. Kober Verlag
Ort
Prag
Datum
1866
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
14.7 x 21.5 cm
Seiten
110
Kategorien
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