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Einleitung 15
stehen. Innerhalb des Sowjetischen Teils der Alliierten Kommission bestand
neben einem anfänglich akuten Personalmangel eine Schwierigkeit darin,
qualifizierte Mitarbeiter zu bekommen. Mehrere gravierende Umstrukturie-
rungen, gegenseitige Bespitzelungen, ein partiell bewusst herbeigeführter
Parallelismus und unklare Kompetenzen spiegeln die Konkurrenzkämpfe in
der Moskauer Zentrale wider.
Ausgehend von dieser Makrogeschichte wird im zweiten Teil erstmals
die sowjetische Lebenswelt in Österreich – gleichsam aus einer Perspektive
von unten bzw. von innen – analysiert. Vor dem Hintergrund der politischen
Tragweite von Straftaten, die sowjetische Militärangehörige verübten, wer-
den die gezielte politisch-moralische Schulung und der Einsatz von kommu-
nistischen Parteiorganisationen zur Steigerung der Disziplin dargestellt. Ein
eigenes Kapitel widmet sich „amoralischen Erscheinungen“ und Delikten wie
Plünderungen, Vergewaltigungen, Trunksucht, Desertion, Selbstmord, Spi-
onage, Vaterlandsverrat und Mord, aber auch Straftaten zum Nachteil von
Rotarmisten. Dokumente von sowjetischen Militär- und Geheimdienstorga-
nen erlauben einen Einblick in die teilweise rigorose Bestrafung und die inter-
ne Einschätzung derartiger Vergehen.
Ein besonders sensibles Thema ist jenes der sexuellen Kontakte zwischen
Besatzungsangehörigen und österreichischen Frauen. Die sogenannte Schat-
tenseite umfasst Vergewaltigungen, Abtreibungen, Geschlechtskrankheiten,
Prostitution und Verhaftungen wegen des Vorwurfs der Spionage oder – im
Falle der Infizierung von Armeeangehörigen mit einer venerischen Krankheit
– sogar der Sabotage. Aber auch die zahlreichen Liebesbeziehungen standen
unter keinem guten Stern: Die Frauen wurden häufig von der Gesellschaft
und der eigenen Familie stigmatisiert. Und Moskau wertete Liaisons mit Ös-
terreicherinnen als „Verrottung der politischen Vorsicht“, weswegen Ehe-
schließungen oder dauerhafte Beziehungen unterbunden wurden. Bis heute
befinden sich viele der „Besatzungskinder“ auf der Suche nach ihren Vätern.
Das nächste Kapitel widmet sich dem sowjetischen Alltag in Österreich. Hier-
bei wird der Frage nachgegangen, wie der Tagesablauf, die Unterbringung, Ver-
pflegung und Bekleidung reglementiert waren, unter welchen Voraussetzungen
Offiziere ihre Familien nach Österreich holen konnten und wie Offizierskinder
die Besatzungszeit erlebten. Freizeitaktivitäten wie Jagd, Sport oder kulturelle
Veranstaltungen und das Zelebrieren einschlägiger Riten und Feste kommen
ebenfalls zur Sprache. Einen besonderen Stellenwert in diesem Zusammenhang
hatten Bestattungen und das Totengedenken inne, was sich im „steinernen Ge-
dächtnis“ von Friedhöfen und Gedenksteinen bis heute widerspiegelt.
Auf Formen von Wahrnehmung und Erinnerung konzentriert sich der
dritte Teil. Dabei steht einleitend die Frage im Vordergrund, welche Bilder
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Stalins Soldaten in Österreich
Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Stalins Soldaten in Österreich
- Untertitel
- Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
- Autor
- Barbara Stelzl-Marx
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78700-6
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 874
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918