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von der Besatzung in Österreich in Form von Fotografien und Dokumentar-
filmen produziert wurden und welche Sujets diese transportierten. So sind
die Kranzniederlegungen am Grabmal von Johann Strauß, einem der wich-
tigsten Bestandteile der sowjetischen Ikonografie von der Befreiung Öster-
reichs, vor allem auf den in der Sowjetunion außerordentlich populären ame-
rikanischen Spielfilm „The Great Waltz“ zurückzuführen.
Erstmals wird auch die Armeezeitung der Zentralen Gruppe der Streit-
kräfte analysiert, deren symptomatischer Titel „Za česť Rodiny“ („Für die
Ehre der Heimat“) auf das von den Rotarmisten erwünschte Verhalten ver-
weist. Zu den Aufgaben dieser Tageszeitung gehörte es, die sowjetischen Ar-
meeangehörigen eindringlich vor dem „feindlichen“ Einfluss im Ausland zu
warnen, sie über wichtige Ereignisse in ihrem Umfeld zu informieren und sie
politisch zu schulen. Die Auswahl und Darstellung bzw. Tabuisierung einzel-
ner Themen ist dabei ebenso relevant wie die Frage, welche Deutungsmuster
des Fremden und des Eigenen sich herauskristallisierten.
Abschließend wird der Fokus auf die retrospektive Auf- bzw. Verarbei-
tung der Besatzungserfahrung aus sowjetischer Sicht, den Umgang in der
(post-)sowjetischen Gesellschaft mit diesem Thema sowie auf die öffentliche
wie private Erinnerung gelegt. Dabei werden Rituale und Inszenierungen
zu Jahrestagen wie etwa dem „Tag des Sieges“ ebenso untersucht wie Orte
der Erinnerung. Bei der Analyse von Oral-History-Interviews mit ehemals
sowjetischen Zeitzeuginnen und Zeitzeugen wird der Frage nachgegangen,
welche Themen in der mündlichen Erinnerung eher tabuisiert, welche auf der
anderen Seite wiederum betont und welche retrospektiven, mythologisierten
Bilder von der Zeit in Österreich tradiert werden.
Kriegsende und Besatzungszeit in Österreich hinterließen außerdem ihre
Spuren in der sowjetischen Literatur, die ihrerseits als Medium des kollekti-
ven Gedächtnisses wirkt. Durch die neue Erfahrung mit dem Westen boten
sich erweiterte Möglichkeiten literarischen Schaffens. Der persönliche Kon-
takt mit der einheimischen Bevölkerung bedingte, dass die Deutschen bzw.
Österreicher nicht „en masse“, sondern als Individuen wahrgenommen wur-
den. Als Beispiele dienen die 1945 entstandenen privaten Aufzeichnungen
des berühmten sowjetischen Lyrikers Boris Sluckij „Über die anderen und
über mich“ und die für die Öffentlichkeit gedachten Erinnerungen des ehe-
maligen Politoffiziers Grigorij Savenok „Wiener Treffen“. Vor allem Letztere
sind ein Spiegelbild der Feindbilder des Kalten Krieges.
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Stalins Soldaten in Österreich
Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Stalins Soldaten in Österreich
- Untertitel
- Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
- Autor
- Barbara Stelzl-Marx
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78700-6
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 874
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918