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barer Quellen aus ehemals sowjetischen Archiven einen beachtlichen Impuls.
Gerade auf dem Gebiet der sowjetischen Absichten in Österreich und deren
Umsetzung, aber auch der Besatzungsorganisation konnten neue Einsichten ge-
wonnen werden. Lücken blieben primär im Bereich der Mikrogeschichte sowie
der sowjetischen Perzeption und Rezeption der Besatzung in Österreich. Diese
sollen im Rahmen der vorliegenden Arbeit möglichst geschlossen werden.
Als Quellen standen hierfür vor allem Dokumente aus mehreren russi-
schen Staatsarchiven und den Archiven des Verteidigungsministeriums, des
Föderalen Sicherheitsdienstes sowie des Ministeriums für auswärtige Angele-
genheiten und Oral-History-Interviews mit mehr als 60 – vorwiegend aus der
ehemaligen Sowjetunion stammenden – Zeitzeuginnen und Zeitzeugen zur
Verfügung. Zudem konnten sowjetische Dokumentarfilme über die Befreiung
und Besatzung Österreichs, Fotografien, Memoiren, die Armeezeitung der
Zentralen Gruppe der Streitkräfte und einige Ego-Dokumente wie Briefe und
Tagebuchaufzeichnungen herangezogen werden. Die Suche nach Letzteren
gestaltete sich schwieriger als gedacht, da sich diese – so sie über die Jahrzehn-
te hinweg aufbewahrt wurden – vorwiegend in Privatbesitz befinden.
Die Auswertung der Unterlagen stößt auf mehrere Probleme: Zunächst
besteht – gerade im Fall des Verteidigungsministeriums – ein nur selektiver
Archivzugang, weswegen vielen Fragestellungen nur unzureichend nachge-
gangen werden kann. Abgesehen davon wurden nicht alle relevanten Ereig-
nisse schriftlich dokumentiert; insbesondere im militärischen Bereich erfolgten
Befehle vielfach mündlich. Auch ausgearbeitete informativ-analytische Ma-
terialien wurden zwar von den zuständigen Führungsgremien geprüft, doch
gingen sie bei ihren Entscheidungen vielfach von eigenen Überlegungen aus.70
Quellenkritik ist zudem insofern angebracht, als die Verfasser von Berichten –
etwa im geheimdienstlichen Bereich – selbst unter Druck standen und Vorfälle
mitunter so schilderten, wie sie dem marxistisch-leninistischen Idealbild ent-
sprachen. Befehle bzw. Berichte der Politabteilungen und die Realität klafften
nicht selten weit auseinander. Doch sickerten im sowjetischen System der ge-
genseitigen Überwachung und Denunziation über verschiedene Wege entspre-
chende Informationen durch. Für die Analyse der Innensicht der sowjetischen
Besatzung in Österreich stellen derartige Dokumente einen „Glücksgriff“ dar.
* * *
70 Leonid Gibianskij, Osteuropa: Sicherheitszone der UdSSR, sowjetisiertes Protektorat des Kreml oder
Sozialismus „ohne Diktatur des Proletariats“? Zu den Diskussionen über Stalins Osteuropa-Politik
am Ende des Zweiten Weltkrieges und am Anfang des Kalten Krieges, in: Nikolaus Lobkowicz –
Leonik Luks – Alexej Rybakov (Hg.), Forum für osteuropäische Ideen- und Zeitgeschichte. 2004/2.
Köln 2004, S. 113–138, hier: S. 122f.
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Stalins Soldaten in Österreich
Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Stalins Soldaten in Österreich
- Untertitel
- Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
- Autor
- Barbara Stelzl-Marx
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78700-6
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 874
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918