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I. Vorgeschichte: Sowjetische
Österreichplanung64
3.2 Zweites Kontrollabkommen
Mit der Anerkennung der Regierung begann eine acht Monate dauernde
„Periode der totalen Kontrolle“: Nach der Phase einer relativen Autonomie
der provisorischen Regierung und vor der Begrenzung der Eingriffskompe-
tenz des Alliierten Rates im Zweiten Kontrollabkommen vom 28. Juni 1946
lag eine Phase der schrankenlosen Kompetenz der Alliierten unter dem Ers-
ten Kontrollabkommen, bürokratischer Schwerfälligkeit der eben erst voll
angelaufenen alliierten Kontrollmaschinerie und der Ausweitung der Regie-
rungszuständigkeit auf ganz Österreich.118
Auf Initiative der Briten wurden die Vorarbeiten für ein neues Kon-
trollabkommen aufgenommen, das die Kompetenzen der österreichischen
Regierung zwar beträchtlich erweiterte, aber keineswegs die Souveräni-
tät Österreichs wiederherstellte. Als Resultat des „Abkommens zwischen
den Regierungen Großbritanniens, der USA, der UdSSR und Frankreichs
über den Kontrollapparat in Österreich vom 28. Juni 1946“ (kurz: „Zweites
Kontrollabkommen“)119 wurden den Besatzungsbehörden zahlreiche Kompe-
tenzen entzogen und neue Arbeitsmethoden vorgeschrieben. Dies hatte nicht
nur eine Verkleinerung der Militärregierung zur Folge, sondern auch das Zu-
geständnis an die österreichische Seite, Gesetze – mit Ausnahme von Verfas-
sungsgesetzen – zu verabschieden bzw. einfache legislative Maßnahmen zu
setzen. Fortan traten diese automatisch in Kraft, sofern der Alliierte Rat nicht
binnen 31 Tagen nach Einlangen bei der Alliierten Kommission eigens ein-
stimmig Einspruch erhob.120 Der österreichischen Regierung wurde zudem
gestattet, „diplomatische und konsularische Beziehungen mit den Regierun-
gen der Vereinten Nationen aufzunehmen“. Besonders ausschlaggebend für
die erweiterte Souveränität Österreichs war aber auch die Aufhebung der Be-
schränkungen im Zonenverkehr, wenngleich die alliierte Kontrolle – vorerst
– bestehen blieb.
118 Stourzh, Um Einheit und Freiheit, S. 33f.; Gerald Stourzh, Die Regierung Renner, die Anfänge der
Regierung Figl und die Alliierte Kommission für Österreich, September 1945 bis April 1946, in: Archiv
für österreichische Geschichte. Bd. 125. 1996, S. 321–342, hier: S. 322.
119 Abkommen zwischen den Regierungen Großbritanniens, der USA, der UdSSR und Frankreichs
über den Kontrollapparat in Österreich, 28.6.1946. Abgedruckt in: Eva-Marie Csáky, Der Weg zu
Freiheit und Neutralität. Dokumentation zur österreichischen Außenpolitik 1945–1955. Schriften-
reihe der Österreichischen Gesellschaft für Außenpolitik und internationale Beziehungen. Bd. 10.
Wien 1980, S. 83–87; Karner – Stelzl-Marx – Tschubarjan, Die Rote Armee in Österreich, Dok. Nr.
72. Vgl. dazu auch: Alfred Ableitinger, Großbritannien und das Zweite Kontrollabkommen. Genese
und Gehalt des britischen Regierungsentwurfes vom 4. Februar 1946, in: Alfred Ableitinger – Sieg-
fried Beer – Eduard G. Staudinger (Hg.), Österreich unter alliierter Besatzung 1945–1955. Wien 1998,
S. 71–109.
120 Stourzh, Um Einheit und Freiheit, S. 50.
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Stalins Soldaten in Österreich
Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Stalins Soldaten in Österreich
- Untertitel
- Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
- Autor
- Barbara Stelzl-Marx
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78700-6
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 874
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918