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II. KRIEGSENDE IN ÖSTERREICH
Als sowjetische Truppen am 29. März 1945 als erste der alliierten Besatzungs-
mächte österreichisches Territorium betraten, tauchten sie in eine feindliche
Welt ein, die die „Befreier vom faschistischen Joch“ durchaus nicht mit offenen
Armen begrüßte. Angesichts der ersten Begegnungen mit den sowjetischen
Soldaten kamen nun vielfach jene stereotypen Feindbilder zum Tragen, welche
die NS-Propaganda im Unterbewusstsein der Bevölkerung verankert hatte und
die ihrerseits auf bereits vor Kriegsbeginn vorhandenen latent antislawischen
Vorurteilen fußten: die Sowjetunion als „Hort des Bösen“, „behaust“ vom
„slawischen Untermenschen“ und infiziert vom „jüdischen Bolschewismus“.1
Hinzu kam die berechtigte Angst, die Rote Armee würde Rache für die von
deutschen Einheiten begangenen Verbrechen in der Sowjetunion üben.2 Berich-
te von Übergriffen verbreiteten sich – auch dank der NS-Propaganda – wie ein
Lauffeuer und eilten den vorrückenden sowjetischen Soldaten voraus. Doch
auch die Rote Armee stand unter dem Einfluss der jahrelangen Feindpropa-
ganda, die sich pauschal gegen die „Faschisten“ gerichtet hatte. Erst sukzessive
erfolgte eine Differenzierung zwischen „Österreichern“ und „Deutschen“.
1. Der Wandel des Feindbildes:
sowjetische Propaganda
Die sowjetische Sicht Österreichs war mindestens ebenso ambivalent wie
die Vorstellungen vieler Österreicher von ihren Befreiern, die man eigentlich
nicht im Land haben wollte. Die Wurzeln dafür lagen unter anderem bereits
im „ambivalenten Anschluss“3 Österreichs im März 1938: Einerseits stellte die
1 Hans-Erich Volkmann (Hg.), Das Russlandbild im Dritten Reich. Köln – Weimar – Wien 1994; Peter
Jahn, „Russenfurcht“ und Antibolschewismus: Zur Entstehung und Wirkung von Feindbildern,
in: Peter Jahn – Reinhard Rürup (Hg.), Erobern und Vernichten. Der Krieg gegen die Sowjetunion
1941–1945. Essays. Berlin 1991, S. 47–64; Omer Bartov, Brutalität und Mentalität: Zum Verhalten
deutscher Soldaten an der „Ostfront“, in: Peter Jahn – Reinhard Rürup (Hg.), Erobern und Vernich-
ten. Der Krieg gegen die Sowjetunion 1941–1945. Essays. Berlin 1991, S. 183–199.
2 Gabriele Mörth, Schrei nach innen. Vergewaltigung und das Leben danach. Wien 1994; Hamburger
Institut für Sozialforschung (Hg.), Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944.
Ausstellungskatalog. Hamburg 2002; Hans Heer – Klaus Naumann (Hg.), Vernichtungskrieg. Ver-
brechen der Wehrmacht 1941–1944. Hamburg 1995; Christian Hartmann – Johannes Hürter – Ulrike
Jureit, Verbrechen der Wehrmacht. Bilanz einer Debatte. München 2005; Helke Sander – Barbara
Johr (Hg.), BeFreier und Befreite. Krieg, Vergewaltigung, Kinder. Frankfurt am Main 2005.
3 Gerhard Botz, Der ambivalente Anschluss, in: Zeitgeschichte 3/1978, S. 91–109.
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Stalins Soldaten in Österreich
Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Stalins Soldaten in Österreich
- Untertitel
- Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
- Autor
- Barbara Stelzl-Marx
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78700-6
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 874
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918