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II. Kriegsende in
Österreich70
Erfahrungen „von unten“ führten dazu, dass das Feindbild des „Deutschen“
zunehmend mit jenem des „Faschisten“ und dieses wiederum mit dem Bild der
„Bestie“ gleichgesetzt wurde. Diese Verflechtung war so intensiv, dass sich das
Bild des Feindes als „faschistisches Scheusal“ und als „Raubtier“ im sowjetisch-
russischen Nationalbewusstsein für lange Zeit zu jener Folie entwickelte, durch
die nicht nur die Wehrmacht, sondern die deutsche Nation insgesamt betrach-
tet wurde. Bis heute findet der Begriff „Faschist“ Verwendung, wenn über die
Deutschen während des Zweiten Weltkrieges gesprochen wird. Die diametral
entgegengesetzten Gefühle der Liebe zum Vaterland auf der einen und des
Hasses gegenüber dem Feind auf der anderen Seite prägten die sowjetischen
Soldaten während des gesamten „Großen Vaterländischen Krieges“. Die Partei-
führung verwendete diese Einstellung gezielt als taktischen und strategischen
Faktor, um zusätzliche Kräfte in Armee und Bevölkerung zu mobilisieren.13
1.1.1 Organisation der Propaganda
Die Leitung der ideologischen und propagandistischen Arbeit lag dabei in
den Händen des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei, des ZK der
VKP(b). Es setzte alle Mittel ein, um auf die Bevölkerung und vor allem die
Truppen einzuwirken – mündliche Agitation, gedruckte Propaganda, Litera-
tur, Film, Kunst. Die besten sowjetischen Schriftsteller und Künstler kamen
in den unterschiedlichen Bereichen der Agitation und Propaganda zum Ein-
satz. Insgesamt berichteten mehr als 1000 Schriftsteller und Künstler von der
Front, mindestens 400 verloren dabei ihr Leben. Ihre Arbeit beaufsichtigte
eine neue Behörde, das „Sovinformbjuro“ (deutsch: Sovinformbüro), die am
24. Juni 1941 auf Beschluss des Politbüros des ZK und des Rates der Volks-
kommissare der UdSSR ins Leben gerufen wurde. Dieses Sowjetische Infor-
mationsbüro (SIB) überwachte unter der Leitung von Aleksandr S. Ščerbakov
die gesamte Propaganda und Information – von der „Pravda“ bis zu den
Handzetteln für die Frontsoldaten. Im Detail bestanden seine Aufgaben in:
- der Leitung der Information über internationale und nationale Ereignisse
in Presse und Rundfunk;
- der Organisation der Gegenpropaganda gegen deutsche und andere feind-
liche Agitation;
- der Darstellung von Kriegshandlungen und der Publikation von Berichten
auf der Basis von Materialien des Hauptkommandos.14
13 E. S. Senjavskaja, Psichologija vojny v XX veke. Istoričeskij opyt Rossii. Moskau 1999, S. 276f.; Polja-
kov, Istoki narodnogo podviga, S. 17f.
14 RGASPI, F. 17, op. 125, d. 384, S. 1–17, Bericht über die Arbeit des Sovinformbüros, [nach Juni 1946].
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Stalins Soldaten in Österreich
Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Stalins Soldaten in Österreich
- Untertitel
- Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
- Autor
- Barbara Stelzl-Marx
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78700-6
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 874
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918