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1. Der Wandel des Feindbildes: sowjetische Propaganda 71
Neben der Information nach innen stellte das Sovinformbüro dem Aus-
land „wahre“ Materialien über den „Vaterländischen Krieg des sowjetischen
Volkes“ bereit. Es übermittelte „vielen Ländern“ Artikel, Fotografien und
Bücher und stellte den Kontakt zu ausländischen Informationsagenturen,
Journalen und Zeitungen her, wodurch die internationalen Beziehungen der
Sowjetunion gestärkt werden sollten. Bald nach Kriegsbeginn entstand eine
eigene „Abteilung für die Koordination der Propaganda“ mit den Alliierten
beim SIB.15
Ebenfalls Ende Juni 1941 richtete man das Büro für militärpolitische Pro-
paganda unter Volkskommissar Lev S. Mechlis ein, das für die Propaganda
unter den feindlichen Truppen verantwortlich war.16 Ščerbakov leitete zu-
dem die Politische Hauptverwaltung der Roten Arbeiter- und Bauern-Armee
(GlavPURKKA), die für die politische Schulung und kulturelle Bildungsar-
beit der Truppen zuständig war. Die Politische Hauptverwaltung gehörte ei-
nerseits zum Volkskommissariat für Verteidigung, bildete aber andererseits
die Militärabteilung des Zentralkomitees der VKP(b) und war damit zugleich
der Parteileitung unterstellt.17
Innerhalb der GlavPURKKA war die 7. Abteilung unter Regimentskom-
missar Michail I. Burcev für die Propaganda und Gegenpropaganda unter
den deutschen Soldaten an der Front und in den Kriegsgefangenenlagern
zuständig. Sie setzte deutsche Kommunisten an den Frontabschnitten ein,
die über Broschüren und Lautsprecherwagen die Wehrmachtssoldaten zum
Überlaufen aufriefen.18 Das Hauptquartier der bald nach dem Überfall auf die
Vgl. Merridale, Iwans Krieg, S. 128f.; Poljakov, Istoki narodnogo podviga, S. 21. Zu den veränderten
drei Hauptaufgaben des Sovinformbüros nach Kriegsende siehe: RGASPI, F. 17, op. 125, d. 594, S.
137–145, hier: S. 138, Bericht von Ponomarev an Suslov über die Lage des Sovinformbüros, 2.6.1948.
15 Die Bedeutung des Sovinformbüros nahm nach Kriegsende rasch ab, es reagierte nicht entspre-
chend auf die „Aktivierung der antisowjetischen Tätigkeit und Propaganda seitens der USA und
Großbritanniens“ im beginnenden Kalten Krieg. Selbst 1946 existierte noch die erwähnte „Abtei-
lung für die Koordination der Propaganda“, was als Ausdruck der politischen und organisatori-
schen Unfähigkeit gewertet wurde. Vgl. RGASPI, F. 17, op. 125, d. 384, S. 1–17, Bericht über die
Arbeit des Sovinformbüros [nach Juni 1946]. Die mangelnde Qualität vieler Artikel wurde auch auf
die schlechte fachliche und politische Ausbildung des Mitarbeiterstabes zurückgeführt. Vgl. RGAS-
PI, F. 17, op. 125, d. 384, S. 74–79, Bericht von Sidorov und Korotkevič an Suslov über die Arbeit der
Zentraleuropäischen Abteilung des Sovinformbüros, 9.7.1946.
16 Tatjana Gorjajewa, „Wenn morgen Krieg ist …“ Zum Feindbild in der sowjetischen Propaganda
1941–1945, in: Karl Eimermacher – Astrid Volpert (Hg.), Verführungen der Gewalt. Russen und
Deutsche im Ersten und Zweiten Weltkrieg. Unter Mitarbeit von Gennadij Bordjugow. West-Östli-
che Spiegelungen. Neue Folge. Bd. 1. München 2005, S. 427–468, hier: S. 442.
17 Kalnins, Agitprop, S. 62. Siehe dazu das Kapitel A.III.1.2 „Die Politische Hauptverwaltung der Ro-
ten Armee“ in diesem Band.
18 Norman N. Naimark, Die Russen in Deutschland. Die sowjetische Besatzungszone 1945 bis 1949.
Berlin 1997, S. 26f.
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Stalins Soldaten in Österreich
Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Stalins Soldaten in Österreich
- Untertitel
- Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
- Autor
- Barbara Stelzl-Marx
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78700-6
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 874
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918