Seite - 72 - in Stalins Soldaten in Österreich - Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
Bild der Seite - 72 -
Text der Seite - 72 -
II. Kriegsende in
Österreich72
Sowjetunion eingerichteten 7. Abteilung lag im Moskauer Marx-Engels-Ins-
titut. Nach dessen Zerbombung zog sie in das neu erbaute Theater der Roten
Armee. In den ersten chaotischen Kriegswochen befasste sie sich hauptsäch-
lich mit der Auswertung feindlicher Radiosendungen, abgefangener Doku-
mente und Briefe sowie mit den Ergebnissen von Kriegsgefangenenverhören.
Mithilfe politischer Emigranten versuchte eine „Deutsche Unterabteilung“,
möglichst gute Kenntnisse über das feindliche Deutschland zu erlangen.19
Entsprechend einer Verordnung des Präsidiums des Obersten Sowjets der
UdSSR begann mit 16. Juli 1941 eine Umgestaltung der politischen Propagan-
daorgane. Zugleich wurde in der Armee – in allen Regimentern, Divisionen,
Stäben, militärischen Bildungseinrichtungen und Behörden – die Dienststel-
lung des Kriegskommissars etabliert. Politische Leiter („Politruki“) übernah-
men in den Kompanien, Batterien und Schwadronen die ideologische Betreu-
ung. Die Kommissare und „Politruki“ erhielten den Auftrag, „die Truppe auf
den Kampf gegen die Feinde unserer Heimat einzuschwören“.20
Am 19. Juli 1941 rief ein Befehl zur Massenrekrutierung politischer Offi-
ziere dazu auf, die vielen, die seit dem Beginn des Unternehmens „Barba-
rossa“ ihr Leben verloren hatten, zu ersetzen. Man gedachte, den Krieg in
den Köpfen der Soldaten und mit den Hoffnungen ihrer Angehörigen zu
führen – und zu gewinnen.21 Kommissare und „Politruki“ – bzw. ab Okto-
ber 1942 „stellvertretende Kommandeure für politische Angelegenheiten“
(„Zampolit“) – waren für die politische Schulung, Parteipropaganda, kultu-
relle Erziehung, geistige und selbst materielle Betreuung und nicht zuletzt
auch für die Kampfmoral der Truppe verantwortlich.22 Die politische Arbeit
diente gezielt dazu, die Soldaten auf „einen entschlossenen Angriff auf den
Feind“ und „leidenschaftlichen Einsatz für den Sieg“ vorzubereiten und ein-
zuschwören.23 Zeitschriften wie „Propagandist Krasnoj Armii“ als das Organ
der GlavPURKKA gewannen zunehmend an Bedeutung und wurden für die
politische Arbeit unter den Soldaten genutzt.24
19 Hans Heinrich Düsel, Die sowjetische Flugblattpropaganda gegen Deutschland im Zweiten Welt-
krieg. Frontflugblätter. Leipzig 1998, S. 7f.
20 Aleksandr V. Perepelicyn – Natalja P. Timofeeva, Das Deutschen-Bild in der sowjetischen Militär-
propaganda während des Großen Vaterländischen Krieges, in: Elke Scherstjanoi (Hg.), Rotarmisten
schreiben aus Deutschland. Briefe von der Front (1945) und historische Analysen. Texte und Mate-
rialien zur Zeitgeschichte. Bd. 14. München 2004, S. 267–286, hier: S. 269.
21 Merridale, Iwans Krieg, S. 127.
22 Mit dem Dekret des Präsidiums des Obersten Sowjets vom 9. Oktober 1942 wurde die Position der
Kommissare und politischen Offiziere durch jene der stellvertretenden Kommandeure für politi-
sche Angelegenheiten ersetzt. Vgl. Kalnins, Agitprop, S. 61. Siehe dazu auch das Kapitel B.I.1.3.3
„Politoffiziere“ in diesem Band.
23 Staršij politruk Ivanov, Političeskaja podgotovka ataki, in: Boevoe znamja, 21.4.1942, S. 2.
24 Perepelicyn – Timofeeva, Das Deutschen-Bild in der sowjetischen Militärpropaganda, S. 269.
zurück zum
Buch Stalins Soldaten in Österreich - Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955"
Stalins Soldaten in Österreich
Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Stalins Soldaten in Österreich
- Untertitel
- Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
- Autor
- Barbara Stelzl-Marx
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78700-6
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 874
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918