Seite - 75 - in Stalins Soldaten in Österreich - Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
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1. Der Wandel des Feindbildes: sowjetische Propaganda 75
Der Gegner wurde – von beiden Seiten – mit den widrigen Eigenschaften des
Aggressors ausgestattet, die Hass und Verachtung hervorrufen, dabei aber
Gefühle wie Mitleid und Angst ausschließen sollten. Letztendlich sollte diese
Einstellung das Töten anderer Menschen mit allen Mitteln rechtfertigen.33
Noch befand sich die Sowjetunion in weiten Teilen auf dem Rückzug, noch
war ein Wendepunkt, wie es die Schlacht von Stalingrad auch in moralischer
Hinsicht war, nirgends zu spüren. Fälle von Selbstverstümmelungen, um
dem Militärdienst zu entgehen, nahmen zu.34 Für einen ersten Anflug von
Zuversicht sorgte der erfolgreiche Ausgang des Gegenangriffs bei Moskau
Ende 1941, als sich Soldaten wie Zivilisten davon überzeugen konnten, dass
der deutsche Feind nicht unschlagbar war.35 Im Mai 1942 konnte Stalin bereits
auf Erfolge der Roten Armee verweisen: „All dies zeigt, dass die Rote Armee
organisierter und stärker wurde, dass ihre Offizierskader in den Kämpfen ge-
stählt und ihre Generäle erfahrener und scharfsichtiger wurden.“ Positiv hob
Stalin auch die Veränderungen im Mannschaftsstamm der Roten Armee her-
33 Gorjajewa, „Wenn morgen Krieg ist …“, S. 427.
34 Ende 1941 sah sich die Staatsanwaltschaft der UdSSR sogar genötigt, Männer im Einberufungsalter,
die mit Körperverletzungen in Spitäler eingeliefert wurden, systematisch auf Selbstverstümmelung
zu untersuchen und gegebenenfalls zu bestrafen. Vgl. RGASPI, F. 82, op. 2, d. 889, S. 167, Schreiben
von Safonov an Molotov über das vermehrte Auftreten von Selbstverstümmelungen von Männern
im Einberufungsalter, 30.12.1941.
35 Senjavskaja, Deutschland und die Deutschen, S. 252.
Abb. 5: Während des Krieges stellten Briefe meist den einzigen Kontakt zur Heimat dar. (Quelle:
AdBIK, Sammlung 4. Gardearmee)
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Stalins Soldaten in Österreich
Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Stalins Soldaten in Österreich
- Untertitel
- Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
- Autor
- Barbara Stelzl-Marx
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78700-6
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 874
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918