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1. Der Wandel des Feindbildes: sowjetische Propaganda 79
„Wenn du nicht auf alles verzichten willst,
was du dein Vaterland nennst –
dann töte einen Deutschen,
töte ihn immer, wann
du ihn auch siehst.“49
1.1.4 Il’ja Ėrenburg
In dieselbe Kerbe schlug Il’ja G. Ėrenburg,50 der wie kaum ein anderer den
Nerv der Zeit traf. In den vier Kriegsjahren verfasste er rund 1500 Artikel
für Front- und Armeezeitungen, für ausländische Nachrichtenagenturen und
Zeitungen51 sowie für Rundfunksender. Als Frontberichterstatter bereiste er
die Kriegsschauplätze, traf sich mit Soldaten und Kriegsgefangenen, hielt
Vorträge und sammelte Material über deutsche Verbrechen. Die gesamte
Armee las Ėrenburg. Die Tonlage seiner Artikel entsprach der allgemeinen
sowjetischen Kriegspropaganda, deren Ziel darin bestand, auch bei einfachen
Menschen Kampfbereitschaft und Hass gegen den Feind hervorzurufen. Sei-
ne Schriften, die stellvertretend für die gesamte sowjetische Propaganda ge-
sehen werden können, stärkten die Moral an der Front und im Hinterland.
In seinem Flugblatt „Töte!“ vom 24. Juli 1942, als der Rückzug der Roten
Armee im Nordkaukasus in vollem Gange war und die deutschen Trup-
pen nach Stalingrad vorstießen, schrieb Ėrenburg: „Die Deutschen sind kei-
ne Menschen. Von jetzt an ist das Wort ‚Deutscher‘ für uns der schlimmste
Fluch. Von jetzt an lässt das Wort ‚Deutscher‘ das Gewehr losgehen. Wir wer-
den nicht reden. Wir werden uns nicht entrüsten. Wir werden töten. Wenn
du nicht einen Deutschen am Tag getötet hast, war der Tag verloren.“52 Und
weiter: „Wenn du nicht den Deutschen tötest, tötet der Deutsche dich. […]
Wenn du den Deutschen leben lässt, erhängt der Deutsche den russischen
Mann und schändet die russische Frau. Wenn du einen Deutschen getötet
hast, bring den nächsten um – es gibt nichts Lustigeres als deutsche Leichen.
Zähle nicht die Tage. Zähle nicht die Wersten. Zähle nur eines: die von dir ge-
töteten Deutschen. Töte den Deutschen! – das bittet die alte Mutter. Töte den
Deutschen! – das bittet dich das Kind. Töte den Deutschen! – das schreit die
49 Zit. nach: ebd., S. 299.
50 In der deutschsprachigen Literatur wird meist die Schreibweise „Ilja Ehrenburg“ verwendet, was
nicht der wissenschaftlichen Transliteration entspricht.
51 Die für das Ausland geschriebenen Artikel erschienen erst Mitte der 1980er Jahre in der Sowjetuni-
on. Siehe: Tischler, Die Vereinfachung des Genossen Ėrenburg, S. 328.
52 Zit. nach: Peter Jahn (Hg.), Ilja Ehrenburg und die Deutschen. Museum Berlin-Karlshorst. Berlin
1997, S. 70. Vgl. Werth, Russland im Krieg, S. 294f.
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Stalins Soldaten in Österreich
Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Stalins Soldaten in Österreich
- Untertitel
- Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
- Autor
- Barbara Stelzl-Marx
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78700-6
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 874
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918