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II. Kriegsende in
Österreich102
Einer Zusammenarbeit mit der O5 – vor allem im militärischen Bereich –
stimmte Susloparov, der Molden am 27. März 1945 empfing, jedoch zu.145 Sie
vereinbarten, Szokolls Vertrauensmann Ferdinand Käs als bevollmächtigten
Vertreter des österreichischen Widerstandes O5 über die Frontlinie hinweg
zu Marschall Fedor Tolbuchin zu entsenden, und sprachen dafür einen eige-
nen Code ab.146
Den Wunsch des POEN, in Moskau eine Repräsentanz einzurichten, lehn-
te Susloparov jedoch ab. Eine bürgerliche, von den Westmächten gestützte
Regierung, wie sie die beiden Repräsentanten der Widerstandsbewegung an-
strebten, lief den sowjetischen Interessen ebenso zuwider wie die Pläne Bru-
no Kreiskys im schwedischen Exil und jene anderer Interessengruppen. Stalin
warf daher Ende März 1945 in der Stavka die Frage auf, wer in Österreich
die Zentralverwaltung aufbauen solle und was aus Karl Renner geworden
sei. Zu dieser Zeit lagen die Informationen aus Paris über die O5 bereits vor.
Sie waren offenbar nicht von der Art, dass Moskau die O5 als das gesuch-
te regierungsähnliche Organ betrachten konnte. Im Gegenteil, sie dürften
Stalins Misstrauen gegenüber der O5 und den Plänen der Briten eher noch
verstärkt und sogar einen zusätzlichen Impuls für das einseitige sowjetische
Vorpreschen in der Österreichfrage gegeben haben. Der Kremlchef schien
zu befürchten, dass die Westalliierten das POEN, das sich nicht unter seiner
Kontrolle befand, als provisorische Regierung anerkennen könnten. Stalin
erteilte daher der 2. und 3. Ukrainischen Front den Befehl, nach Renner zu
suchen. Nicht gerade förderlich war außerdem die ablehnende Haltung der
österreichischen Kommunisten im Moskauer Exil gegenüber der O5, deren
Existenz sie glatt negierten.147
2.1.1 Kontaktaufnahme mit der Roten Armee
Am 2. April 1945 erreichten Käs und sein Fahrer Johann Reif auf abenteu-
erliche Weise die sowjetische Frontlinie, woraufhin sie gegen 22 Uhr148 nach
145 Molden, Fepolinski & Waschlapski, S. 352–354; Aichinger, Sowjetische Österreichpolitik, S. 160;
Rauchensteiner, Der Sonderfall, S. 66.
146 Molden, Fepolinski & Waschlapski, S. 354f.; Luža, Der Widerstand in Österreich, S. 245.
147 Aichinger, Sowjetische Österreichpolitik, S. 160f.; Karner – Ruggenthaler, Unter sowjetischer Kon-
trolle; Rauchensteiner, Der Sonderfall, S. 66f.; Natal’ja Lebedeva, Österreichische Kommunisten im
Moskauer Exil. Die Komintern, die Abteilung für internationale Information des ZK der VKP(b)
und Österreich 1943–1945, in: Stefan Karner – Barbara Stelzl-Marx (Hg.), Die Rote Armee in Öster-
reich. Sowjetische Besatzung 1945–1955. Beiträge. Graz – Wien – München 2005, S. 39–60; Mueller,
Die sowjetische Besatzung in Österreich, S. 82f.
148 Szokoll, Die Rettung Wiens, S. 314. Gemäß dem Bericht des Oberkommandierenden der 9. Garde-
Armee trafen Käs und Reif am 3. April 1945 im Stab der 9. Garde-Armee ein. Da Käs und Reif laut
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Stalins Soldaten in Österreich
Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Stalins Soldaten in Österreich
- Untertitel
- Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
- Autor
- Barbara Stelzl-Marx
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78700-6
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 874
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918