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2. Carl Szokoll und die Sowjets: militärischer Widerstand in Wien 109
geben.178 Anschließend suchte er das geheime Versteck der verbündeten
kommunistischen Widerstandsgruppe auf, um auch sie für die „Operation
Radetzky“ zu gewinnen. Szokoll erachtete es, wie er selbst betonte, als wich-
tig, dass neben der O5 und anderen Widerstandsgruppen vor allem auch ös-
terreichische Kommunisten beim Empfang der Sowjets im Palais Auersperg
anwesend waren. Die O5 stellte in Szokolls Augen keine überparteiliche
Repräsentanz des österreichischen Widerstandes dar, weil sie „nur mit den
Engländern und den Amerikanern in Verbindung stand“.179 Die zunehmend
ablehnende Haltung Moskaus gegenüber der O5 schätzte er dabei sicher rich-
tig ein, zumal die kommunistische Vertretung innerhalb der O5 unbedeutend
war bzw. von den österreichischen Exilkommunisten misstrauisch beäugt
wurde.180 Der Sekretär der Kommunisten mit dem Nom de Guerre „Fritz“
stimmte einer Teilnahme an „Radetzky“ zu.181
Danach wollte Szokoll dem Wehrkreiskommando XVII einen Besuch
abstatten, wurde aber beim Radetzky-Denkmal von Ferdinand Käs auf-
gehalten:182 Major Karl Biedermann, Kommandant der Heeresstreife Groß-
Wien, war im Verlauf des 5. April als Angehöriger der österreichischen Wi-
derstandsbewegung denunziert und auf Befehl des Kampfkommandanten
von Wien verhaftet worden. Noch in den frühen Morgenstunden des 6. Ap-
ril gab Biedermann während der Verhöre die „Operation Radetzky“ preis,
wodurch die Wehrmacht genaue Kenntnis über die Akteure und ihre Pläne
gewann.183 Leutnant Heinz Scheichelbauer, ein Vertrauensmann im Festungs-
stab Wien Ic, hatte den Stab Szokolls laufend über die Untersuchungen und
schließlich das Auffliegen des Aufstandsplans informiert.184 Daraufhin war
ein Kommando, bestehend aus Oberleutnant Rudolf Raschke und Leutnant
Alfred Huth, als Meldekopf im Stab zurückgelassen worden, während sich
während er jenes mit den Kommunisten ausführlich beschreibt. Vgl. Szokoll, Die Rettung Wiens, S.
330–335. Hingegen verweist Luža darauf, dass Szokoll Bumballa und andere führende Persönlich-
keiten der O5 zu sich bat. Das Treffen mit den Kommunisten bleibt hier unerwähnt. Vgl. Luža, Der
Widerstand in Österreich, S. 265.
178 Rathkolb, Raoul Bumballa, S. 301. Rathkolb verweist dabei auf die Unstimmigkeiten zwischen der
O5 und der Gruppe um Szokoll, die eventuell auf Positionskonflikte um den Einfluss nach der Be-
freiung zurückzuführen sind.
179 Szokoll, Die Rettung Wiens, S. 330.
180 Aichinger, Sowjetische Österreichpolitik, S. 161; Mueller, Die sowjetische Besatzung, S. 83.
181 Szokoll, Die Rettung Wiens, S. 334f. In seinen Erinnerungen nennt Szokoll „Zirkusgasse 2“ als
Adresse für die Unterredung mit der kommunistischen Untergrundbewegung, während er ihm
Verhör durch die „Smerš“ die „Komödiengasse 3–18“ angibt. CA FSB RF, K-109717, t. 3, S. 4, Ver-
hörprotokoll von Carl Szokoll, 24.4.1945.
182 CA FSB RF, K-109717, t. 3, S. 4, Verhörprotokoll von Carl Szokoll, 24.4.1945.
183 Rauchensteiner, Der Krieg in Österreich, S. 164; Portisch, Am Anfang war das Ende, S. 120f.
184 CA FSB RF, K-109717, t. 4, S. 90, auf Deutsch S. 91, Bericht über die Tätigkeit von Heinz Scheichel-
bauer, 5.6.1945.
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Stalins Soldaten in Österreich
Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Stalins Soldaten in Österreich
- Untertitel
- Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
- Autor
- Barbara Stelzl-Marx
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78700-6
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 874
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918