Seite - 110 - in Stalins Soldaten in Österreich - Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
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II. Kriegsende in
Österreich110
die meisten übrigen Mitglieder der Widerstandsbewegung versteckt hatten.
Huth und Raschke hatten noch alle gewarnt, die sie erreichen konnten, bevor
auch sie verhaftet wurden.185
Szokoll und Käs flohen gemeinsam mit Reif per Auto vor der SS. Szokoll er-
teilte Käs angeblich den Auftrag, den Aufstand von ihrem Ausweichquartier
im Palais Auersperg186 nötigenfalls nur mit den zivilen Gruppen weiterzufüh-
ren, vor allem die Sprengladungen an den Brücken zu entschärfen und ihre
Soldaten zu verstecken.187 Am Morgen des 6. April begann die Rote Armee
ihren Sturm auf Wien.188 Eine Handvoll Männer der O5 führte gemeinsam mit
einigen Freiwilligen die Sowjets durch die westlichen Randgebiete Wiens, um
ihnen durch ihre Ortskenntnis bei der Umgehung von Artilleriestellungen
und Panzersperren zu helfen.189 Szokolls Kraftfahrer Reif soll erneut die Front-
linie überschritten und das sowjetische Oberkommando vom Scheitern des
Aufstandes informiert haben, damit die Truppen nicht in eine Falle gerieten.190
Laut Verhörprotokoll der sowjetischen Spionageabwehr „Smerš“ vom 24.
April 1945 fuhr Szokoll in der Nacht auf den 7. April 1945 gemeinsam mit
Unteroffizier Heinz Netsch nach Hütteldorf zu dessen Bekannten. Von dort
aus wollte er zu den sowjetischen Truppen überlaufen, was aber nicht gelang.
Über Netsch nahm er wieder Verbindung mit der O5 auf. Einen Tag später
fuhr er nach Wien in die Wohnung von Clotilde191 Hrdlicka, Kommunistin
185 Rauchensteiner, Der Krieg in Österreich, S. 164; Portisch, Am Anfang war das Ende, S. 120f. Unter
anderem wurde auch Erna Jansen, eine Mitarbeiterin Szokolls im Wehrkreiskommando XVII, von
der SS am 5. April 1945 verhaftet. Sie kam am 8. April 1945 wieder frei. Vgl. CA FSB RF, K-109717,
t. 4, S. 120f., auf Deutsch S.122, Ansuchen von Erna Jansen an das Polizeipräsidium Wien bezüglich
ihrer Aufenthaltsbewilligung, 28.8.1945.
186 Prinzessin Agathe Croy stellte das Palais Auersperg der O5 seit 7. April 1945 zur Verfügung. Vgl.
Rathkolb, Raoul Bumballa, S. 303.
187 Szokoll, Die Rettung Wiens, S. 338f.
188 Štemenko, General’nyj štab v gody vojny, S. 361; Beleckij, Sovetskij Sojuz i Avstrija, S. 63.
189 Luža, Der Widerstand in Österreich, S. 266.
190 Želanov, Vzaimodejstvie sil avstrijskogo dviženija soprotivlenija, S. 119; Molden, Die Feuer in der
Nacht, S. 177f.; Luža, Der Widerstand in Österreich, S. 266.
191 Laut Fraser trug Hrdlicka den Vornamen „Clotilde“. Vgl. CA FSB RF, K-109717, t. 3, S. 57–61, auf
Deutsch S. 62–67, Memorandum von Gustav Fraser an Aleksej Blagodatov betreffend seine „Tä-
tigkeit für die Befreiung Wiens vom Naziterror“. Diesen Namen („Chlodhilde“) verwendet auch
Rathkolb. Vgl. Rathkolb, Raoul Bumballa, S. 300. In sowjetischen Dokumenten findet sich der Vor-
name „Justina“, wobei dies in der deutschen Übersetzung auf „Hermine“ korrigiert wurde. Vgl.
RGASPI, F. 17, op. 128, d. 35, S. 13–17, Bericht des stv. Leiters der 7. Verwaltung der GlavPURKKA,
B. G. Sapožnikov, an den Leiter der Abteilung für Internationale Information des ZK VKP(b), G. M.
Dimitrov, über die österreichische Widerstandsbewegung O5, 28.4.1945. Abgedruckt in: Karner –
Stelzl-Marx – Tschubarjan, Die Rote Armee in Österreich, Dok. Nr. 27. Rauchensteiner verwendet
lediglich die Form „Frau Hrdlicka“. Vgl. Rauchensteiner, Der Sonderfall, S. 68f. Bei Ernst Fischer
hingegen trägt sie den Vornamen „Mathilde“. Vgl. Ernst Fischer, Das Ende einer Illusion. Erinne-
rungen 1945–1955. Wien 1973, S. 45, 49, 398.
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Stalins Soldaten in Österreich
Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Stalins Soldaten in Österreich
- Untertitel
- Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
- Autor
- Barbara Stelzl-Marx
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78700-6
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 874
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918