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II. Kriegsende in
Österreich116
war nach der Verhaftung Beckers in den Ausschuss nachgerückt. Schließ-
lich gehörten dem „Siebenerausschuss“ noch ein Vertreter des liberalen Bür-
gertums, nämlich Emil Oswald, sowie von kommunistischer Seite Clotilde
Hrdlicka an, deren Mann als Kommunist im KZ umgekommen war.215 Nach
der Niederschlagung des militärischen Aufstandes versteckte sich Szokoll
zwei Tage in Hrdlickas Wohnung in der Lange Gasse 8.216
Die Mitglieder des „Siebenerausschusses“ glaubten autorisiert zu sein,
eine Verwaltung zu installieren. Sie berieten über die Besetzung des Bürger-
meisterpostens von Wien und stellten ein Militärkomitee auf, das die Funk-
tionen eines Verteidigungsministeriums ausüben sollte. Innerhalb kürzester
Zeit sollten sie jedoch auf Ablehnung sowohl vonseiten der Sowjets als auch
vonseiten der sich gerade bildenden österreichischen Parteien stoßen.217 Den-
noch fungierte das Hauptquartier der O5 im Palais Auersperg in den ers-
ten Tagen nach der Befreiung als das politische Kommunikationszentrum
Wiens.218 Ab dem 9. April trat hier der „Siebenerausschuss“ jeden Morgen
zusammen.219
Wie bereits erwähnt, hatte am 3. April eine erste Kontaktaufnahme zwi-
schen der O5 und den Sowjets in Wien stattgefunden, worüber Politoberst
Georgij I. Piterskij von der 3. Ukrainischen Front informiert worden war.220
Eine Woche später, am 10. April, führte Piterskij ein längeres Gespräch mit
Bumballa und Oswald, die anscheinend in Piterskijs Auftrag gesucht worden
waren.221 Piterskij interessierte sich dabei besonders für das Zentralkomitee
der österreichischen Widerstandsbewegung, ihre Mitglieder und ihre Tätig-
keit während des sowjetischen Vormarsches auf Wien. Zur Sprache kamen
215 Luža, Der Widerstand in Österreich, S. 191; Rauchensteiner, Der Sonderfall, S. 68f.; Rathkolb, Raoul
Bumballa, S. 300. Der Siebenerausschuss hatte nach der Auflösung des POEN durch die Verhaftung
führender Aktivisten Ende Februar/Anfang März 1945 die Leitung des zivilen Sektors übernom-
men. Vgl. Luža, Der Widerstand in Österreich, S. 245–247.
216 CA FSB RF, K-109717, t. 3, S. 5, Verhörprotokoll von Carl Szokoll, 24.4.1945.
217 Rauchensteiner, Der Sonderfall, S. 68f.
218 Rathkolb, Raoul Bumballa, S. 302.
219 Luža, Der Widerstand in Österreich, S. 267.
220 CAMO, F. 243, op. 2914, d. 132, S. 29–33, Bericht des Leiters der Politabteilung der 9. Garde-Armee,
Molin, an die Politverwaltung der 3. Ukrainischen Front, 3.4.1945; Mueller, Die sowjetische Besat-
zung in Österreich, S. 83.
221 Der Bericht wurde mit den Worten eingeleitet: „Am 10. April 1945 wurden die Mitglieder des Zen-
tralkomitees der österreichischen Widerstandsbewegung, Raul Dumbalo Burenau [sic!], Vorsitzen-
der des Komitees, Österreicher, Doktor der Justiz, 49 Jahre, Teilnehmer des Krieges von 1914–1918,
damals Offizier der österreichisch-ungarischen Armee, Flieger, sechsmal verwundet, und Emil Os-
wald, Österreicher, 48 Jahre, ehemaliger Offizier der österreichisch-ungarischen Armee im Krieg
1914–1918, einer der Leiter des Komitees zum Schutz der Urheberrechte in Österreich, ausfindig
gemacht.“ AVP RF, F. 06, op. 7, p. 26, d. 321, S. 16, Bericht von Piterskij über das Gespräch mit Ver-
tretern des Zentralkomitees der „österreichischen Widerstandsbewegung“, 10.4.1945.
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Stalins Soldaten in Österreich
Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Stalins Soldaten in Österreich
- Untertitel
- Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
- Autor
- Barbara Stelzl-Marx
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78700-6
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 874
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918