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2. Carl Szokoll und die Sowjets: militärischer Widerstand in Wien 121
jetischen Ablehnung bei. Ein wichtiger Schritt zur endgültigen Entmachtung
erfolgte am 21. April 1945. An diesem Tag untersagte der sowjetische Stadt-
kommandant Blagodatov mit seinem Befehl Nr. 4 die Existenz und Tätigkeit
nicht registrierter öffentlicher und vor allem politischer Organisationen.239
Damit schuf er die Grundlage für die Auflösung der O5. Begründet wurde
dieser Schritt mit der Notwendigkeit, gegen verschiedene Organisationen
einschreiten zu müssen, die versuchten, ohne „registriert zu sein, eine politi-
sche und öffentliche Tätigkeit zu entfalten“.240
Zu diesem Zeitpunkt hatten die Sowjets zentrale Mitglieder des Wider-
standes bereits verhaftet und verhört. Sie konnten sich dank der Aussagen
während der Verhöre, unterschiedlicher Informationen, die unter anderem
österreichische Kommunisten bereitstellten, und dank der Angaben von
Bumballa und anderen Komiteemitgliedern ein genaues Bild der einzelnen
Agierenden machen. Ende April fällte der stellvertretende Leiter der Politi-
schen Hauptverwaltung, B. G. Sapožnikov, ein vernichtendes Urteil über die
österreichische Widerstandsbewegung O5, das sich sinngemäß auch in der
sowjetischen Sekundärliteratur wiederfand.241 Schlüsselpassagen wurden so-
gar wörtlich in einen nur wenige Tage später verfassten Bericht an den Leiter
der Propagandaabteilung des ZK der VKP(b), Georgij F. Aleksandrov, über-
nommen.242
Drei gewichtige Punkte sprachen dabei aus sowjetischer Sicht gegen die
O5:243 Einer der Kritikpunkte lag in der bereits erwähnten Westorientierung
der O5, was in sowjetischen Augen alles andere als eine Empfehlung war.
Sapožnikov charakterisierte die Widerstandsbewegung als Handlanger
der Briten und implizierte darüber hinaus die Verbindung zum britischen
oder amerikanischen Geheimdienst – ein Vorwurf, der sich konstant halten
239 WStLB, B1800455, Flugblättersammlung, Befehl Nr. 4 des Ortskommandanten der Stadt Wien,
21.4.1945. Faksimile abgedruckt in: Aichinger, Sowjetische Österreichpolitik, S. 424.
240 Aichinger, Sowjetische Österreichpolitik, S. 169f., 174.
241 In der sowjetischen Sekundärliteratur wurden die der O5 nachgesagten Kontakte zum amerikani-
schen Geheimdienst besonders negativ gesehen. Kritisiert wurde weiters, dass sich die Aktivitäten
der „bourgeoisen O5“ auf die „Kritik des NS-Regimes, den Austausch von Meinungen und Vorbe-
reitungen zur Machtübernahme nach der Befreiung“ Österreichs reduziert hätten und dass die O5
weder vom NS-Regime verfolgt worden wäre noch Verluste zu beklagen gehabt hätte. Dies wäre
„äußerst aussagekräftig“. Vgl. Kobljakov et al., SSSR v bor’be za nezavisimost’, S. 78.
242 RGASPI, F. 17, op. 125, d. 320, S. 141–143, Bericht von I. V. Šikin an G. F. Aleksandrov über die öster-
reichische Widerstandsbewegung O5, 5.5.1945. Abgedruckt in: Mueller et al., Sowjetische Politik in
Österreich, Dok. Nr. 12.
243 RGASPI, F. 17, op. 128, d. 35, S. 13–17, Bericht des stv. Leiters der 7. Verwaltung der GlavPURKKA,
B. G. Sapožnikov, an den Leiter der Abteilung für Internationale Information des ZK VKP(b), G. M.
Dimitrov, über die österreichische Widerstandsbewegung O5, 28.4.1945.
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Stalins Soldaten in Österreich
Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Stalins Soldaten in Österreich
- Untertitel
- Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
- Autor
- Barbara Stelzl-Marx
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78700-6
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 874
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918