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II. Kriegsende in
Österreich122
sollte:244 „Das politische Programm und auch die praktische Tätigkeit des
Komitees der österreichischen Widerstandsbewegung ‚O5‘ lassen auf einen
überaus engen und intensiven Kontakt dieser Bewegung mit einem ausländi-
schen Staat schließen.“245 Einen ähnlichen Verdacht hatte Georgi M. Dimitrov
bereits am 6. April 1945 in einem Schreiben an Stalin artikuliert.246
Zweitens kam die sowjetische Ablehnung des sozialdemokratischen Exils
in London zum Tragen, mit der die Widerstandsbewegung offensichtlich in
engem Kontakt gestanden war: „Es ist bemerkenswert, dass das Programm
der Bewegung ‚O5‘ in seinen wesentlichen Punkten mit dem Programm des
Londoner Büros der österreichischen Sozialisten übereinstimmt.“ In diesem
Programm werde Deutschland in derselben Art und Weise wie die anderen
Nachbarn erwähnt, und man erkläre sich sogar zu einer Donaukonfödera-
tion bereit, betonte Sapožnikov.247 Vergleichbare Vorwürfe gegenüber der
„antisow jetischen“ und „großdeutschen“ Einstellung des „London Bureau
of Austrian Socialists“ hatten auch Dimitrov, Radio Moskau, der sowjetische
Sender „Freies Österreich“ und die „Pravda“ erhoben.248
Besonders negativ wurde schließlich bewertet, dass „die führenden Köpfe
der Bewegung“ nicht nur die Absicht hatten, „verschiedene Segmente des
politischen und wirtschaftlichen Lebens Österreichs unter ihre Kontrolle
zu bringen“, sondern dass sie darüber hinaus „auch mit allen Mitteln einen
vorläufig illegalen Kampf um die Macht im Staate und zur Bildung einer
österreichischen Regierung aus den Reihen ihrer Anhänger“ aufgenommen
hatten.249 Eine Förderung der Widerstandsbewegung hätte daher einen Pres-
244 CA FSB RF, F. 135, op. 1, d. 37, S. 100–106, Bericht des Leiters der Verwaltung für Gegenspionage
des MGB der Zentralen Gruppe der Streitkräfte, Belkin, 12.3.1948. Hierbei wird etwa die angebli-
che Verbindung von Otto Molden zum amerikanischen Geheimdienst CIC-430 angeführt. Ziel des
Geheimdienstes sei, so der Bericht, mithilfe von Österreichern „Diversion und Sabotage in USIA-
Betrieben sowie Terror gegen sowjetische Militärangehörige und Mitglieder der KPÖ“ zu organisie-
ren.
245 RGASPI, F. 17, op. 128, d. 35, S. 13–17, Bericht des stv. Leiters der 7. Verwaltung der GlavPURKKA,
B. G. Sapožnikov, an den Leiter der Abteilung für Internationale Information des ZK VKP(b), G. M.
Dimitrov, über die Österreichische Widerstandsbewegung O5, 28.4.1945.
246 RGASPI, F. 17, op. 128, d. 716, S. 37f., Schreiben von G. M. Dimitrov an Stalin, 6.4.1945. Abgedruckt
in: Mueller et al., Sowjetische Politik in Österreich, Dok. Nr. 6. Vgl. Karner – Ruggenthaler, Stalin
und Österreich, S. 105; Mueller, Die sowjetische Besatzung, S. 83f.
247 RGASPI, F. 17, op. 128, d. 35, S. 13–17, Bericht des stv. Leiters der 7. Verwaltung der GlavPURKKA,
B. G. Sapožnikov, an den Leiter der Abteilung für Internationale Information des ZK VKP(b), G. M.
Dimitrov, über die Österreichische Widerstandsbewegung O5, 28.4.1945.
248 Mueller, Die sowjetische Besatzung, S. 83f.; Aichinger, Sowjetische Österreichpolitik, S. 108–110.
249 RGASPI, F. 17, op. 128, d. 35, S. 13–17, Bericht des stv. Leiters der 7. Verwaltung der GlavPURKKA,
B. G. Sapožnikov, an den Leiter der Abteilung für Internationale Information des ZK VKP(b), G. M.
Dimitrov, über die österreichische Widerstandsbewegung O5, 28.4.1945. Vgl. Wagner, Die Besat-
zungszeit aus sowjetischer Sicht, S. 65f., der jedoch zu Unrecht die im Bericht vom 28. April 1945
geübte Kritik als Auslöser für das Verbot der O5 am 21. April 1945 anführt.
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Stalins Soldaten in Österreich
Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Stalins Soldaten in Österreich
- Untertitel
- Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
- Autor
- Barbara Stelzl-Marx
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78700-6
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 874
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918