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2. Carl Szokoll und die Sowjets: militärischer Widerstand in Wien 129
dererrichtung eines unabhängigen Österreich. Szokoll tat sein Möglichstes,
um den Sowjets zutreffende Informationen zukommen zu lassen.
Carl Szokoll war aber auch einer jener Widerstandskämpfer, die sich nach
Kriegsende in Österreich ausgegrenzt und um eine Anerkennung ihrer Tätig-
keit im Widerstand gebracht fühlten. Der wohl prominenteste Mann des mili-
tärischen Widerstandes wurde in der Zweiten Republik zu einer umstrittenen
Persönlichkeit, mit dem viele nichts zu tun haben wollten. Für sie war Szokoll
ein Offizier, der seinen Soldateneid gebrochen und bei einem fragwürdigen
Unternehmen mit der Roten Armee zusammengearbeitet hatte.
Zur Geringschätzung der überlebenden Widerstandskämpfer in Österreich
gesellte sich die Skepsis der sowjetischen Besatzungsmacht, die noch im April
1945 Szokoll und Mitglieder der O5 verhaften ließ. Die „Smerš“ konnte Szo-
koll zwar keine Schuld für das Scheitern des Aufstandes und vor allem keine
„antisowjetische Tätigkeit“ nachweisen. Zum Vorschein kamen allerdings sei-
ne Kontakte zum französischen Geheimdienst und die Kooperation führender
O5-Mitglieder mit dem britischen und amerikanischen Geheimdienst, was
aus sowjetischer Sicht nicht gerade eine Empfehlung darstellte. Im März 1968
nahm Szokoll aber an der Eröffnung der Ausstellung „Österreichische Wider-
standsbewegung“ teil und hielt dort auch einen Vortrag über die Zusammen-
arbeit „der Widerstandsgruppen mit den sowjetischen Truppen“.285
Jahrzehntelang fehlte die wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische
Anerkennung des österreichischen Widerstandes, der die außenpolitisch mo-
tivierte Hervorhebung gegenüberstand. So waren die Verdienste des Wider-
standes – wie sich bei den Bemühungen um den Staatsvertrag herausstell-
te – im Hinblick auf den in der Moskauer Deklaration geforderten eigenen
Beitrag Österreichs zu seiner Befreiung von eminent politischem Wert. Das
offizielle Österreich hob sie gegenüber den Alliierten (mehr als gegenüber der
österreichischen Gesellschaft) hervor, um die Mitverantwortungsklausel in
der Präambel des Staatsvertrages zu streichen. So sah sich der österreichische
Widerstand bis und vor allem 1955 zu einem Instrument österreichischer Au-
ßenpolitik reduziert. In das kollektive Alltagsbewusstsein ist jedoch die Erin-
nerung an die Frauen und Männer des Widerstandes bis heute nicht wirklich
eingedrungen.286
Szokoll wurde 1995 mit dem Ehrenring der Stadt Wien ausgezeichnet und
2003 zum „Bürger der Stadt Wien“ ernannt. Nach seinem Tod 2004 wurde
285 Moskauer Ausstellung: „Österreichische Widerstandsbewegung“, in: Sowjetunion heute. 8/1968, S. 6.
286 Anton Pelinka, Der österreichische Widerstand im Widerspruch der verschiedenen Narrative, in:
Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (Hg.), Jahrbuch 2007. Schwerpunkt: Na-
mentliche Erfassung von NS-Opfern. Wien 2007, S. 13–25, hier: S. 14, 22.
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Stalins Soldaten in Österreich
Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Stalins Soldaten in Österreich
- Untertitel
- Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
- Autor
- Barbara Stelzl-Marx
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78700-6
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 874
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918