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II. Kriegsende in
Österreich152
Die Autorität dieses für die Sowjets „gesamtösterreichischen“ Ansprech-
partners erstreckte sich somit vorerst nur auf den sowjetisch besetzten Teil
Österreichs. Selbst drei Monate nach ihrer Einsetzung wusste die Zentral-
regierung in Wien kaum über die Lage in den westlichen Besatzungszonen
Bescheid und hatte dort auch keinen Einfluss. Der „schlaue Staatskanzler“,387
der gegenüber den Sowjets energisch seine Anliegen vorbrachte und keine
Marionette aus sich machen ließ, kämpfte um die Anerkennung im Westen.
Diese erfolgte schließlich am 20. Oktober 1945.
3.4.2 Anerkennung der provisorischen Regierung und Novemberwahlen
Im Vorfeld musste noch Überzeugungsarbeit geleistet werden. Auf der Pots-
damer Konferenz vom 17. Juli bis zum 2. August 1945 wurde der Vorschlag
der Sowjetregierung betreffend eine Erweiterung der Kompetenz der provi-
sorischen österreichischen Regierung auf ganz Österreich erörtert. Winston
Churchill legte dabei den britischen und amerikanischen Standpunkt gegen-
über Stalin dar: Sie wären erst bereit, „diese Frage nach dem Einzug der briti-
schen und amerikanischen Truppen in Wien zu erörtern“.388
Nachdem die Westalliierten Anfang September die Kontrolle in ihren Sek-
toren von Wien übernommen hatten, traten die vier Militärkommissare der
Besatzungsmächte am 11. September zu einer Sitzung zusammen und er-
richteten den Alliierten Rat als höchstes Organ des alliierten Kontrollsystems
in Österreich.389 In der Proklamation an das österreichische Volk wiesen sie
da rauf hin, dass die Wiedererrichtung eines freien, unabhängigen und de-
mokratischen Staates Österreich in den Händen der österreichischen Bevöl-
kerung selbst liege.390 Für die Sowjets musste dies jedoch sogar einem Rück-
schritt seit Potsdam gleichkommen, da die provisorische Regierung nun nicht
einmal mehr Erwähnung fand.391 Ein wichtiger Schritt von österreichischer
Seite war die vom 24. bis zum 26. September 1945 in Wien durchgeführte
ner verkündet am 27. April 1945 die Unabhängigkeit Österreichs“ der Publikation: Die Wieder-
geburt Österreichs. Die dramatischen Tage vom Kriegsende bis zum Anfang der Republik. Wien
– Köln – Weimar 1995.
387 Hanisch, Der lange Schatten des Staates, S. 403.
388 Zit. nach: Sokolov, Sowjetische Österreichpolitik, S. 84. Vgl. Aichinger, Sowjetische Österreichpoli-
tik, S. 285.
389 Aichinger, Sowjetische Österreichpolitik, S. 306, 315.
390 Proklamation des Alliierten Rates an das österreichische Volk, 11.9.1945. Abgedruckt in: Verosta,
Die internationale Stellung Österreichs, S. 95f.
391 Aichinger, Sowjetische Österreichpolitik, S. 317.
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Stalins Soldaten in Österreich
Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Stalins Soldaten in Österreich
- Untertitel
- Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
- Autor
- Barbara Stelzl-Marx
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78700-6
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 874
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918