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3. Die militärische Ebene:
Armee und Kommandanturen
Die Rote Armee war jene sowjetische Institution, die nicht nur zahlenmäßig
am stärksten in Österreich vertreten war, sondern mit der die österreichische
Bevölkerung auch als Erstes und am unmittelbarsten in Berührung kam. Ge-
rade zu Kriegsende und in der frühen Besatzungszeit waren die sowjetischen
Soldaten in Ostösterreich beinahe omnipräsent. Alle folgenden Institutionen
– mit Ausnahme der geheimdienstlichen – trafen auf Situationen und Struk-
turen, die bereits vom Militär geschaffen worden waren. Die Rotarmisten
prägten am nachhaltigsten das Bild von „den Russen“ in Österreich.
In Österreich agierten zu Kriegsende die 2. und 3. Ukrainische Front unter
den Marschällen Rodion Ja. Malinovskij und Fedor I. Tolbuchin. Die Bezeich-
nung dieser höchsten Gruppierung in der Roten Armee bezog sich jedoch
nicht auf die ethnische Zusammensetzung oder territoriale Herkunft der
Truppen. Sie ergab sich vielmehr aus dem jeweiligen Einsatzort, an dem sich
die Front während der Umstrukturierung der Roten Armee 1943 aufgehalten
hatte.57 Gegen Deutschland und seine Verbündeten kämpften die 1. bis 3. Bal-
tische Front, die 1. bis 3. Weißrussische Front sowie die 1. bis 4. Ukrainische
Front.58 Marschall Georgij K. Žukov, Oberbefehlshaber der 1. Weißrussischen
Front und späterer Verteidigungsminister, fiel dabei die besondere Ehre zu,
Berlin einzunehmen und die Kapitulationsurkunde zu unterschreiben.59
Im Frühjahr 1945 befanden sich 400.000 Rotarmisten in der sowjetisch
besetzten Zone Österreichs.60 Diese Truppenstärke sank bis Herbst 1945 um
etwa die Hälfte auf 180.000 bis 200.000 Mann und bis Jahresbeginn 1946 auf
rund 150.000 Personen.61 Im Herbst 1945 waren schätzungsweise rund 75.000
britische, 70.000 US-amerikanische und 40.000 französische Soldaten in West-
österreich und Wien stationiert.62 Die Franzosen reduzierten ihre Kontingen-
57 Die 2. Ukrainische Front hatte bis zum 3. Oktober 1943 die Bezeichnung „Stepnoj front“ („Steppen-
front“), die 3. Ukrainische Front bis zum 20. Oktober 1943 die Bezeichnung „Jugo-Zapadnij front“
(„Südwestfront“) getragen. Vgl. Ot Volžskich stepej do Avstrijskich Al’p. Boevjoj put’ 4-j gvardejs-
koi armii. Moskau 1971, S. 41; Wagner, Die Besatzungszeit aus sowjetischer Sicht, S. 73.
58 Wagner, Die Besatzungszeit aus sowjetischer Sicht, S. 73.
59 Naimark, Die Russen in Deutschland, S. 19f.
60 Rauchensteiner, Der Sonderfall, S. 81. Der Autor nennt diese Zahl allerdings auch als Gesamtstärke
der 3. Ukrainischen Front. Siehe: Rauchensteiner, Der Krieg in Österreich, S. 107. Die Gesamtstärke
der 2. und 3. Ukrainischen Front inklusive Donauflottille lag bei 644.700 Mann. Vgl. Gosztony, Pla-
nung, Stellenwert und Ablauf der „Wiener Angriffsoperation“, S. 143. Siehe dazu auch das Kapitel
A.II.3.3.1 „Treffen mit der Roten Armee“ in diesem Band.
61 Rauchensteiner, Nachkriegsösterreich, S. 153, 420.
62 Franz Severin Berger, Christiane Holler, Trümmerfrauen. Alltag zwischen Hamstern und Hoffen.
Wien 1994, S. 174.
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Stalins Soldaten in Österreich
Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Stalins Soldaten in Österreich
- Untertitel
- Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
- Autor
- Barbara Stelzl-Marx
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78700-6
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 874
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918