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4. Die Schattenebene: Geheimdienst und NKVD-Truppen 195
„Razvedka“, das russische Wort für Spionage, bezieht sich sowohl auf die
Sammlung von Nachrichten als auch auf die Organisation zur Durchführung
dieser Aufgabe und das „Ausspähen“. Im sowjetischen System befassten sich
das Verteidigungsministerium (NKO/MO), das Ministerium für Staatssicher-
heit (NKGB/MGB) bzw. ab 1954 das Komitee für Staatssicherheit (KGB) und
das Ministerium für innere Angelegenheiten (NKVD/MVD) mit der geheim-
dienstlichen Tätigkeit. Dabei war die militärische Spionage von der Haupt-
verwaltung für Spionage (GRU) des Generalstabes der Roten Armee bzw. der
Sowjetischen Armee organisiert und stand unter dessen Leitung.165
Moskau spannte ab April 1945 ein geheimdienstliches Netz über österrei-
chischen Boden, in dem insgesamt vier sowjetische Geheimdienste agierten:
der als 4. Abteilung des Generalstabes organisierte militärische Geheimdienst
GRU; die Spionageabwehr „Smerš“ (wörtlich: „Tod den Spionen“) beim
Volkskommissariat für Verteidigung (NKO/MO); weiters die Einheiten des
Volkskommissariats für Inneres (NKVD/MVD) mit den Grenztruppen zur
Sicherung des Fronthinterlandes und schließlich die politische Geheimpolizei
des Volkskommissariats für Staatssicherheit (NKGB/MGB).166
Der NKGB/MGB verfügte über eine eigene Geheimdienstabteilung bei
der zentralen sowjetischen Verwaltungsbehörde in Österreich, der SČSK,
welche wiederum eng mit der Verwaltung für Spionageabwehr (UKR)
„Smerš“ beim Armeestab in Baden kooperierte. Gleichzeitig tauschten die
3. Hauptverwaltung des NKGB/MGB und die Geheimdienstabteilung des
Sowjetischen Teils der Alliierten Kommission Informationen aus und hielten
Moskau auf dem Laufenden. Die im Folgenden ausführlicher beschriebenen
Grenztruppen des NKVD/MVD waren nicht nur für „Säuberungsaktionen“
im sowjetisch besetzten Gebiet zuständig, sondern bespitzelten auch die ei-
genen Militärangehörigen. Gegen unerlaubte Grenz- oder Zonenübertritte
mussten sie ebenso einschreiten wie gegen antisowjetische Aktionen. Bei
der Sicherstellung der Kommunikation und der Verhinderung von „Diver-
sionsakten“ wurden sie von operativen Spezialgruppen der militärischen
Spionageabwehr „Smerš“ unterstützt. Diese wiederum holte „nach Möglich-
keit“ Informationen über Aktionen der Westmächte ein und leitete sie nach
Moskau weiter.167 Gemäß der Tradition der sowjetischen Nachrichtentätigkeit
165 Raymond L. Garthoff, Die sowjetischen Spionageorganisationen, in: B. H. Lidell Hart (Hg.), Die
Rote Armee. Gießen o. J., S. 280–289, hier: S. 281. Zum Apparat des NKVD bzw. MGB in Deutsch-
land vgl. N. Petrov – Ja. Foitcik (Hg.), Apparat NKVD-MGB v Germanii 1945–1953. Rossija XX vek.
Dokumenty. Moskau 2009.
166 Beer, Nachrichten- und Geheimdienste in Österreich, S. 224; Vadim J. Birstein, SMERSH. Stalin‘s
Secret Weapon. Soviet Military Counterintelligence in WWII. London 2011, S. 362f.
167 Christoforov, Sowjetische Geheimdienste in Österreich, S. 158.
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Stalins Soldaten in Österreich
Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Stalins Soldaten in Österreich
- Untertitel
- Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
- Autor
- Barbara Stelzl-Marx
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78700-6
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 874
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918