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III. Der sowjetische Besatzungsapparat: Struktur und
Funktion212
auch während der Amtsstunden (von 10 bis 16 Uhr Moskauer Zeit) sowie am
Abend, wenn „einzelne Personen“ arbeiteten. Eine andere bewaffnete Wa-
che gab es zu diesem Zeitpunkt nicht.236 Generell galt auch für die NKVD-
Truppen Tolbuchins Befehl, der provisorischen österreichischen Regierung
„größtmögliche Unterstützung“ zu erweisen.237
Nach dem „erfolgreichen Vormarsch“ der 3. Ukrainischen Front nach
Österreich konkretisierte Generalmajor Pavlov am 3. Mai 1945 neuerlich die
Aufgaben der zuständigen NKVD-Truppen. Diese umfassten nun in erster
Linie die Beschlagnahmung von Waffen und Munition bei der örtlichen Be-
völkerung sowie die Ausforschung und Verhaftung des „verbrecherischen
Elements“, wozu neben vermeintlichen Spionen, Diversanten, Terroristen
und Vaterlandsverrätern auch Wehrmachtsangehörige zählten. Bei Wider-
stand seien diese „zu vernichten“, hieß es lapidar. Kriegsgefangene „des
Feindes“ waren an die zuständigen Armee- und Frontsammelstellen zu
übergeben, sowjetische und ausländische DPs an Sammelstellen oder Kom-
mandanturen.238 Allein das 17. Grenzregiment übergab bis 14. Mai 1945 rund
11.300 Kriegsgefangene an Sammelpunkte.239 Das 91. Grenzregiment nahm
zwischen 11. Mai und 13. Juli 1945 rund 40 Personen vornehmlich im Bereich
des Mur- und Mürztals fest, von denen sowjetische Gerichte 18 zu langjäh-
rigen Haftstrafen in der Sowjetunion verurteilten.240 Dabei kamen eigene
236 RGVA, F. 32900, op. 1, d. 212, S. 20, Informationen zur Bewachung von Regierungseinrichtungen
und einzelner Politiker der provisorischen österreichischen Regierung in Wien [nicht nach dem
13.5.1945].
237 RGVA, F. 32914, op. 1, d. 10, S. 391f., Direktive Nr. 5/00319 des stv. Leiters der NKVD-Truppen
zum Schutz des Hinterlandes der 3. Ukrainischen Front, Oberst Semenenko, an die Kommandanten
der Truppenteile des NKVD über die Aufgaben der Truppen im Zusammenhang mit der Bildung
der provisorischen österreichischen Regierung, 12.5.1945. Abgedruckt in: Karner – Stelzl-Marx –
Tschubarjan, Die Rote Armee in Österreich, Dok. Nr. 37. Das Dokument findet sich auch unter:
RGVA, 32900, op. 1, d. 227, S. 250f.
238 RGVA, F. 32914, op. 1, d. 13, S. 119–121, Bericht des Kommandanten des 336. Grenzregiments der
NKVD-Truppen, Oberstleutnant Martynov, an den Chef der NKVD-Truppen zum Schutz des
Hinterlandes der CGV über die Kampf- und Operativtätigkeit des 336. Grenzregiments im August
1945, 31.8.1945. Abgedruckt in: Karner – Stelzl-Marx – Tschubarjan, Die Rote Armee in Österreich,
Dok. Nr. 68.
239 CAMO, F. 821, op. 1, d. 190, S. 343, Bericht des Kommandanten des 6. Garde-Schützenkorps, Garde-
Generalleutnant Drejer, an den Kommandanten der 57. Armee, Generaloberst Šarochin, über die
Übergabe von Kriegsgefangenen, 17.5.1945. Abgedruckt in: Karner – Pickl, Die Rote Armee in der
Steiermark, Dok. Nr. 60.
240 Vgl. Stefan Karner, „Ich bekam zehn Jahre Zwangsarbeit“. Zu den Verschleppungen aus der Stei-
ermark durch sowjetische Organe im Jahr 1945, in: Siegfried Beer (Hg.), Die „britische Steiermark“.
Unter wissenschaftlicher Mitarbeit von Felix Schneider und Johannes Feichtinger. Forschungen zur
geschichtlichen Landeskunde der Steiermark. Bd. 38. Graz 1995, S. 249–259. Zu den Verhaftungen
und Verurteilungen österreichischer Zivilisten durch sowjetische Organe vgl. Knoll – Stelzl-Marx,
Sowjetische Strafjustiz.
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Stalins Soldaten in Österreich
Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Stalins Soldaten in Österreich
- Untertitel
- Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
- Autor
- Barbara Stelzl-Marx
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78700-6
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 874
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918