Seite - 214 - in Stalins Soldaten in Österreich - Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
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III. Der sowjetische Besatzungsapparat: Struktur und
Funktion214
Deutschen verschleppte Staatsbürger der UdSSR zu sein“. Deserteure der Ro-
ten Armee wie Armeeangehörige, die sich illegal im Hinterland aufhielten,
müssten daher ausgeforscht und festgenommen werden.246 Von einer unbe-
gründeten Verhaftung von Rotarmisten, die sich auf Anordnung ihrer Kom-
mandeure und nicht als Deserteure im Fronthinterland aufgehalten hatten,
war nun im Gegensatz zum März 1945 keine Rede mehr.247
Dies sollte sich auch in den nächsten Monaten nicht ändern. Der Kampf
gegen Desertion aus Einheiten der Roten Armee, gegen „Fälle von Über-
griffen, Plünderungen und Gewalt seitens einzelner Angehöriger der Roten
Armee“ blieb eine der Hauptaufgaben der NKVD-Regimenter in Österreich.
Dabei war man sich durchaus bewusst, dass die Übergriffe den „Unmut der
örtlichen Bevölkerung gegenüber der Roten Armee“248 hervorriefen und die
Rote Armee „in Verruf bringen“ würden.249 Besondere Aufmerksamkeit
widmete man dem „Kampf gegen Plünderer und Sexualstraftäter“, als dem
NKVD zu Ohren kam, dass „deutsche Agenten“ den Briten, Amerikanern
und der österreichischen Bevölkerung gezielt Informationen über Übergriffe
der Roten Armee zuspielen würden. Vor diesem Hintergrund, so ein NKVD-
Bericht, würden diese Vergehen eine „besonders ernst zu nehmende Bedeu-
tung“ erhalten.250
Neben dem „politisch-moralischen Zustand“ in den eigenen Reihen und
innerhalb der Armee beobachteten die NKVD-Truppen laufend die Lage
in Österreich unter politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Ge-
246 RGVA, F. 32900, op. 1, d. 216, S. 44–49, Operationsplan zur Säuberung des Hinterlandes der 3. Ukra-
inischen Front, 3.5.1945. Auszugsweise abgedruckt in: Karner – Stelzl-Marx – Tschubarjan, Die Rote
Armee in Österreich, Dok. Nr. 31; zur Gänze in: Karner – Pickl, Die Rote Armee in der Steiermark,
Dok. Nr. 30. Der von Pavlov und dem Chef des Stabes der NKVD-Truppen zum Schutz des Hin-
terlandes der 3. Ukrainischen Front, Oberst Semenenko, verfasste Operationsplan wurde am 3. Mai
1945 von Tolbuchin und Želtov bestätigt.
247 RGVA, F. 32900, op. 1, d. 219, S. 82–84, Thesen aus dem Vortrag des Chefs der NKVD-Truppen zum
Schutz des Hinterlandes der 3. Ukrainischen Front, Generalmajor Ivan Pavlov, über die Aufklä-
rungsarbeit, 5.3.1945.
248 RGVA, F. 32914, op. 1, d. 13, S. 119–121, Bericht des Kommandanten des 336. Grenzregiments der
NKVD-Truppen, Oberstleutnant Martynov, an den Chef der NKVD-Truppen zum Schutz des
Hinterlandes der CGV über die Kampf- und Operativtätigkeit des 336. Grenzregiments im August
1945, 31.8.1945. Abgedruckt in: Karner – Stelzl-Marx – Tschubarjan, Die Rote Armee in Österreich,
Dok. Nr. 68.
249 CAMO, F. 821, op. 1, d. 140, S. 251, Befehl des Kommandanten der 61. Garde-Schützendivision, Gar-
de-Generalmajor Sergeev, über die Ernennung von Garnisonskommandanten im Raum Voitsberg
und die Ahndung von Übergriffen gegen die Bevölkerung, 11.5.1945. Abgedruckt in: Karner – Pickl,
Die Rote Armee in der Steiermark, Dok. Nr. 40.
250 RGVA, F. 32905, op. 1, d. 163, S. 30–93, hier: S. 70, Bericht des stv. Leiters der NKVD-Truppen zum
Schutz des Hinterlandes der CGV für Aufklärung, Oberst Michajlenko, „Über die politisch-wirt-
schaftliche Lage, die administrative Teilung und den Grad der Verunreinigung mit verbrecheri-
schen Elementen Österreichs“ [Jänner 1946].
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Stalins Soldaten in Österreich
Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Stalins Soldaten in Österreich
- Untertitel
- Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
- Autor
- Barbara Stelzl-Marx
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78700-6
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 874
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918