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III. Der sowjetische Besatzungsapparat: Struktur und
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ganda daraus letztlich kein politisches Kapital schlagen. Lediglich die kom-
munistische „Volksstimme“ berichtete gebührend über die „große Hilfe, die
die Rote Armee der Bevölkerung Österreichs gewähre“, kritisierte die Propa-
gandaabteilung der SČSK im November 1945.467 Selbst die Millionenspende
für den Wiederaufbau der Wiener Staatsoper verbesserte die antisowjetische
und antikommunistische Stimmung nicht.468 Für die mangelnde Anerken-
nung seitens der Bevölkerung waren aber nicht die legendären Würmer in
den „russischen Erbsen“ verantwortlich, sondern vor allem die Übergriffe
und Plünderungen durch sowjetische Soldaten zu Kriegsende.469
6.2 Beutezüge, Demontagen, Konfiszierungen
Gerade in den ersten Wochen und Monaten nach Betreten österreichischen
Territoriums begaben sich Offiziere und Soldaten der alliierten Besatzungs-
truppen auf private Beutezüge. Amerikanische GIs etwa sammelten „Trophä-
en“ und „Souvenirs“ bei Wehrmachtssoldaten, aber auch in der Zivilbevölke-
rung. Beliebt waren NS-Insignien, deutsche Waffen, Schmuck, Alkohol oder
auch Kunstschätze. In der anarchischen Zeit zu Kriegsende nahmen viele die
Trennlinie zwischen „trophy taking“ und Diebstahl bzw. Kriegsbeute nicht
so genau.470
Bei den sowjetischen Soldaten war die Uhrenliebe sprichwörtlich, doch
auch Kleidung, Schmuck, Einrichtungsgegenstände und Kunstwerke wech-
selten den Besitzer. In den Wohnungen von Veteranen finden sich bis heute
zahlreiche „Erinnerungsstücke“ aus Österreich. Vor allem die Möglichkeit,
Pakete in die Sowjetunion zu senden, interpretierten nicht wenige als indi-
rekte Aufforderung zum Plündern. Mit dem militärischen Rang stieg auch
das Ausmaß der Beutezüge: Der Befreier Berlins, Marschall Žukov, ließ in der
Heimat mehrere Wohnungen mit Möbeln und dekorativen Gegenständen
aus Deutschland ausstatten.471
467 CAMO, F. 275, op. 353764, S. 281–285, hier: S. 281, Informationsbulletin Nr. 1 der Propagandaabtei-
lung der SČSK, 12.11.1945.
468 Die sowjetische Regierung ließ für den Wiederaufbau der Staatsoper zwei Millionen Schilling bzw.
eine Million Rubel übergeben. Außerdem stellte die Beuteverwaltung der CGV Hunderte Millionen
Baumaterialien aus ihrem Beutebestand bereit. Vgl. CAMO, F. 275, op. 426039, d. 4, S. 13f., Befehl
des Oberkommandierenden der CGV, Konev, über materielle Hilfe für die provisorische Regierung
zum Wiederaufbau der Wiener Oper, 8.10.1945. Vgl. Karner – Ruggenthaler, Unter sowjetischer
Kontrolle, S. 144.
469 Zum Topos der „wurmigen Erbsen“ vgl. Dornik, Besatzungsalltag in Wien, S. 464f.
470 Günter Bischof, Die Amerikaner als Besatzungsmacht in Österreich, 1945–1955, in: Manfried Rau-
chensteiner – Robert Kriechbaumer (Hg.), Die Gunst des Augenblicks. Neuere Forschungen zu
Staatsvertrag und Neutralität. Wien – Köln – Weimar 2005, S. 75–112, hier: S. 100f.
471 Naimark, Die Russen in Deutschland, S. 221.
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Stalins Soldaten in Österreich
Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Stalins Soldaten in Österreich
- Untertitel
- Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
- Autor
- Barbara Stelzl-Marx
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78700-6
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 874
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918