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6. Das Wirtschaftsimperium 283
Einkauf als „Verstoß gegen die guten Sitten“, weil man dadurch der österrei-
chischen Wirtschaft schade.521 Sowjetische Stellen beobachteten beunruhigt,
wie 1954 einige Österreicher, die in USIA-Läden eingekauft hatten, auf der
Basis eines Erlasses des österreichischen Finanzministeriums bestraft wur-
den.522
6.3.3 Unklare Kompetenzen: Abhängigkeiten von Moskau
Das sowjetische Wirtschaftsimperium in Österreich unterstand – wie auch
ihre Pendants in den osteuropäischen Staaten – der Verwaltung des sowjeti-
schen Eigentums im Ausland, GUSIMZ, mit Sitz in der Bol’šaja Pirogovskaja
9-a in Moskau. Ab 1947 leitete sie zunächst Vsevol’od Nikolaevič Merkulov,523
ehemaliger Minister für Staatssicherheit. Damit übte – neben der Partei – der
sowjetische Geheimdienstapparat einen maßgeblichen Einfluss auch auf die
GUSIMZ und die jeweiligen Einrichtungen im Ausland aus. So oblag etwa
die Leitung der Sowjetischen Aktiengesellschaften (SAG) bei der SMAD dem
Sicherheitsexperten und Berija-Mann Bogdan S. Kobulov.524
Doch war die GUSIMZ bei Weitem nicht die einzige Stelle, von der das
sowjetische Wirtschaftsimperium in Österreich abhing. Bis zu elf Ministe-
rien und Zentralstellen beteiligten sich an der Führung des Wirtschaftsim-
periums: die Ministerien für Erdölindustrie, Schifffahrt, Film, Äußeres,
Staatssicherheit, Transport, Land- und Forstwirtschaft und insbesondere für
Außenhandel sowie die GOS-Bank.525 Selbstverständlich waren diese wiede-
rum vom Zentralkomitee der Partei abhängig, das über eigene Kanäle interne
Informationen erhielt.
Neben den verschiedenen Stellen in Moskau zeigte sich auch die SČSK
und dabei im Speziellen die ihr unterstellte Wirtschaftsabteilung gegenüber
den sowjetischen Wirtschaftsorganisationen in Österreich zuständig. So be-
521 Rauchensteiner, Der Sonderfall, S. 242. Rauchensteiner gibt hier allerdings die Gründung der USIA-
Läden im Sommer 1948 an. Brunner spricht hingegen davon, dass die Sowjets – „neben dem üb-
lichen Schwarzmarkt in Österreich“ – ab 1949 in den organisierten Einzelhandel einstiegen. Vgl.
Brunner, Das Deutsche Eigentum, S. 153.
522 RGANI, F. 5, op. 28, d. 222, S. 78–123, hier: S. 81, Bericht über die Arbeit des Bevollmächtigten des
sowjetischen Hochkommissars in Niederösterreich 1954, 21.1.1955.
523 Vgl. etwa: RGASPI, F. 82, op. 2, d. 486, S. 1, Schreiben von Merkulov an Molotov über einen Brand
bei der SMV, 12.6.1947.
524 Generaloberst Vsevol’od Nikolaevič Merkulov (1895–1953), ab 1938 Stellvertreter Berijas als Chef
des NKVD, ab 1941 NKGB, 1941–1943 erster stellvertretender NKVD-Chef, 1943–1946 Volkskom-
missar (bzw. ab März 1946: Minister) für Staatssicherheit (NKGB bzw. MGB), ab 1947 Chef der
GUSIMZ, 1950–1953 Minister für Staatskontrolle, 1953 hingerichtet. Vgl. Foitzik, Sowjetische Mili-
täradministration in Deutschland, S. 239, 241.
525 Klambauer, Die USIA-Betriebe in Niederösterreich, S. 29f.
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Stalins Soldaten in Österreich
Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Stalins Soldaten in Österreich
- Untertitel
- Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
- Autor
- Barbara Stelzl-Marx
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78700-6
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 874
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918