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III. Der sowjetische Besatzungsapparat: Struktur und
Funktion286
die „skrupellose Einmischung der Amerikaner in die Angelegenheiten Öster-
reichs“ zu wehren und um die „knechtenden Bedingungen der Bezahlung Ös-
terreichs für die ‚Marshallplanlieferungen‘ zu entlarven“.533 Eines ihrer Haupt-
argumente lautete, dass die Marshallplanhilfe nicht der Wiederherstellung
einer selbstständigen österreichischen Wirtschaft, sondern zur „Umwandlung
der westlichen Zonen Österreichs in eine amerikanische militärstrategische
Basis“ diene, was zu einer „versteckten Militarisierung“ des Landes führe.
„Zahlreiche Fakten“ würden zeigen, wie durch dieses Abkommen die öster-
reichische Wirtschaft „unter die Kontrolle amerikanischer Monopole“ kom-
men, Österreich in einen „einträglichen Absatzmarkt von abgelagerten Waren
von schlechter Qualität“ verwandelt würde sowie „strategische Rohstoffe zu
niedrigen Preisen für die USA“ ausgebeutet werden würden.534
Als nachteilige Folge der „Marshallisierung der österreichischen Wirt-
schaft“ („maršallizacija avstrijskoj ėkonomiki“) sah die sowjetische Seite wei-
ters die sukzessive Zunahme des Exports nach Westeuropa, insbesondere
nach Westdeutschland. 34 Prozent der exportierten Rohstoffe und Energie
gingen in Länder des „kapitalistischen Westens“, während nur neun Prozent
in Volksdemokratien ausgeführt wurden. Dies hätte, so die Einschätzung
der Wirtschaftsabteilung der SČSK Anfang 1954, „äußerst negative Auswir-
kungen auf die Verarbeitungsindustrie Österreichs, die stark vom Export
abhing“.535
Mit großem Interesse verfolgten und analysierten die Sowjets entspre-
chende österreichische Presseberichte. Bezüglich eines Kommentars in der
„Gewerkschaftlichen Rundschau“ vom April 1953, der die amerikanische
Hilfe als Geschenk lobte, das Österreich nicht bezahlen müsse, merkte ein
führender Wirtschaftsexperte der SČSK an: „Solch eine Feststellung zeugt
von einem unobjektiven Zugang zur Frage und von einem Wunsch, sich bei
den USA einzuschmeicheln, da nämlich absichtlich jene wichtige Frage ver-
schwiegen wird, die mit der Verwendung der aus dem Verkauf amerikani-
scher Waren erhaltenen Mittel in Verbindung steht.“536
533 AVP RF, F. 066, op. 31, p. 149, d. 29, S. 3, Begleitschreiben von M. Gribanov an A. Vyšinskij zur
Übersendung eines Textentwurfes über die sowjetische Ablehnung des Marshallplans für die Sit-
zung des Alliierten Rates, 12.3.1950.
534 AVP RF, F. 066, op. 31, p. 149, d. 29, S. 4–6, Textentwurf über die sowjetische Ablehnung des Mar-
shallplans für die Sitzung des Alliierten Rates, [12.3.1950].
535 RGANI, F. 5, op. 28, d. 221, S. 2–20, Bericht von A. Michailov über die Wirtschaftspolitik der USA in
Österreich und ihr Einfluss auf die österreichische Wirtschaft, 16.1.1954. Der Bericht wurde im Auf-
trag des sowjetischen Hochkommissars an das ZK der KPdSU übermittelt. Vgl. RGANI, F. 5, op. 28,
d. 221, S. 1, Begleitschreiben von Kraskevič zur Übersendung des Berichts über die amerikanische
Wirtschaftspolitik in Österreich, 16.1.1954.
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Stalins Soldaten in Österreich
Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Stalins Soldaten in Österreich
- Untertitel
- Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
- Autor
- Barbara Stelzl-Marx
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78700-6
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 874
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918