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6. Das Wirtschaftsimperium 287
Auch Äußerungen österreichischer Poli-
tiker wurden entsprechend interpretiert.
Zur Aussage von Verkehrsminister Karl
Waldbrunner, nichts wäre in Österreich
ohne die Marshallplanhilfe gegangen,
hieß es in diesem internen Bericht an das
ZK der KPdSU: „Das ist ein wertvolles
Eingeständnis. Es zeigt, dass die USA
nur die hitlerschen Pläne umsetzen, den
Wirtschaftsapparat Österreichs auf die
Erfüllung der militärischen Bedürfnisse
des imperialistischen Deutschland um-
zustellen.“ Die beinahe schon fanatische
Ablehnung des westlichen Wirtschafts-
systems, gepaart mit dem zur Schau ge-
stellten festen Glauben an den Kommu-
nismus, illustriert die Schlussfolgerung
des Berichts: „Der negative Einfluss
der Wirtschaftspolitik der USA auf die
Entwicklung der österreichischen Wirt-
schaft stellt eine der Ursachen für die
Weckung antiamerikanischer Gefühle in der nationalen Bourgeoisie dar.“537
Als Sprachrohr der kommunistischen Propaganda dienten hauptsächlich
die „Österreichische Volksstimme“, das Zentralorgan der KPÖ, und das sow-
jetische Besatzungsorgan „Österreichische Zeitung“. Für die in Österreich
stationierten sowjetischen Leser startete die Zeitung der Zentralen Gruppe
der Streitkräfte „Za čest’ Rodiny“ eine entsprechende Kampagne.538 Im Unter-
schied zu den früheren Hilfsprogrammen des Westens schaltete sich die KPÖ
aktiv in die Anti-ERP-Propaganda ein und brachte dabei – in Absprache mit
den Sowjets – folgende Argumente ins Spiel:
1. Verlust der Souveränität Österreichs;
2. einseitige Westbindung Österreichs mit dem Ziel einer politischen und mi-
litärischen Einbeziehung;
3. das „bezahlte Geschenk“;
4. Einfuhr amerikanischer Aus- und Überschussgüter schlechter Qualität, die
Österreich vielfach selbst produzieren könnte;
537 Ebd.
538 Siehe dazu auch das Kapitel C.II.1.4 „Kampagne gegen Kapitalismus und Marshallplan“ in diesem
Band.
Abb. 36: Die Sowjetunion und in weiterer
Folge auch die KPÖ lehnten den Mar-
shallplan klar ab, was zu einem heftigen
Propagandakrieg führte. (Quelle: WStLB,
Plakatsammlung)
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Stalins Soldaten in Österreich
Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Stalins Soldaten in Österreich
- Untertitel
- Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
- Autor
- Barbara Stelzl-Marx
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78700-6
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 874
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918