Seite - 290 - in Stalins Soldaten in Österreich - Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
Bild der Seite - 290 -
Text der Seite - 290 -
III. Der sowjetische Besatzungsapparat: Struktur und
Funktion290
Diversion“ geäußert. Der aus den Geheimdienststrukturen stammende
GUSIMZ-Chef Merkulov berichtete Molotov in diesem Zusammenhang:
„Acht Österreicher, die am Erdölfeld arbeiteten, wurden verhaftet. Es werden
Untersuchungen durchgeführt.“547
Strengstens geahndet wurde auch angebliche Spionage in den sowjeti-
schen Betrieben Österreichs.548 Langjährige Haftstrafen und in einigen Fällen
sogar Hinrichtungen waren die Folge.549 Tatsächlich flossen Informationen
an westliche Nachrichtendienste, doch betrafen sie größtenteils Bereiche, die
allgemein zugänglich waren. Viele der sogenannten „Agenten“ waren sich
über die möglichen Folgen ihrer Aktivitäten nicht im Klaren. So führte der
zum Tode verurteilte Michael Maczejka in seinem Gnadengesuch an das
Präsidium des Obersten Sowjets hinsichtlich seiner „Spionagetätigkeit“ an:
„Diese Fragen und auch meine Antworten [bezüglich eines USIA-Geschäftes
in Baden] erschienen mir völlig harmlos, nachdem alle diese Dinge öffentlich
gesehen wurden und auch bekannt waren.“550
Als besonders gefährlich erwiesen sich mitunter Liebesbeziehungen zwi-
schen Österreicherinnen und sowjetischen Mitarbeitern in den Wirtschaftsbe-
trieben. Diese Frauen traf der Vorwurf, ihre persönlichen Kontakte im Auf-
trag westlicher Nachrichtendienste zu nutzen, um geheime Informationen in
Erfahrung zu bringen. Moskau schätzte dabei die Österreicherinnen als ho-
hen Risikofaktor ein. Hier wirkten traditionelle stalinistische Denkmodelle
und Feindbilder.551
Vor diesem Hintergrund waren Liebesbeziehungen zwischen sowjeti-
schem Personal und österreichischen Frauen äußerst ungern gesehen. Doch
auch beim alltäglichen Kontakt mussten bestimmte Formen gewahrt werden.
Anfang 1952 gab die GUSIMZ neue Richtlinien heraus, in welcher Form Tref-
fen zwischen sowjetischen und österreichischen Arbeitern zu erfolgen hät-
ten. Größtenteils, so Sergeev, würden diese Kontakte „in Übereinstimmung
mit der aktuellen Instruktion“ erfolgen. Allerdings hätten einige sowjetische
Generaldirektoren ihre Kontakte mit KPÖ-Mitgliedern nicht protokollarisch
547 RGASPI, F. 82, op. 2, d. 486, S. 1, Schreiben von Merkulov an Molotov über einen Brand bei der
SMV, 12.6.1947.
548 Knoll – Stelzl-Marx, Sowjetische Strafjustiz in Österreich, S. 292–300.
549 Stelzl-Marx, Verschleppt und erschossen, S. 39f.; Walter M. Iber, Wirtschaftsspionage für den Wes-
ten. Erdölarbeiter im Spannungsfeld des Kalten Krieges, in: Stefan Karner – Barbara Stelzl-Marx
(Hg.), Stalins letzte Opfer. Verschleppte und erschossene Österreicher in Moskau 1950–1953. Unter
Mitarbeit von Daniela Almer, Dieter Bacher und Harald Knoll. Wien – München 2009, S. 169–188.
550 GARF, F. 7523, op. 76, d. 15, S. 157f., hier: S. 158, Gnadengesuch von Michael Maczejka an das Präsi-
dium des Obersten Sowjets der UdSSR, 19.1.1951.
551 Siehe dazu auch das Kapitel B.II.1.4 „Die Honigfalle: Spionage, Sabotage und Verhaftung“ in die-
sem Band.
zurück zum
Buch Stalins Soldaten in Österreich - Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955"
Stalins Soldaten in Österreich
Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Stalins Soldaten in Österreich
- Untertitel
- Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
- Autor
- Barbara Stelzl-Marx
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78700-6
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 874
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918