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und stellen Konflikte zwischen den Anforderungen an KünstlerInnen und jenen
an ArbeiterInnen in den Vordergrund. Demgegenüber wird an dieser Stelle der
Gegensatz zwischen Kunst und Arbeit zwar behandelt, jedoch nicht als zentraler
oder gar einziger Konfliktpunkt zwischen Musizierformen, sondern als einer von
mehreren Gegensätzen, die Musizieren bestimmten. Auch ist zu bemerken, dass
die Fokussierung auf gewerkschaftliche Quellen und Gewerkschaftsgeschichte die
Gefahr birgt, deren Perspektive zu privilegieren und deren Narrative als Geschichte
des Musizierens zu beschreiben, wie es vor allem in der Untersuchung von Kraft
sichtbar wird. Diese Problematik besteht auch in Josef Eckhardts Studie zu Berufs-
musikerInnen im Wilhelminischen Reich,28 in der oftmals offizielle Positionen der
Interessenvertretungen der BerufsmusikerInnen in die Bewertungen von Sachver-
halten einfließen. Demgegenüber findet sich in der Arbeit von Jochen Schepers zu
Tanz- und UnterhaltungsmusikerInnen im 20. Jahrhundert auch die Berücksichti-
gung von nicht-(haupt)beruflichem Musizieren.29
Besonders anschlussfähig für meinen Ansatz erscheinen mir vor allem zwei
Untersuchungen: Die Überlegungen von Karl Hagstrom Miller zum „verborgenen“
Arbeitscharakter von Musizieren 30 verweisen auf die Abhängigkeit der Bewertung
von Tätigkeiten als Arbeit oder Nicht- Arbeit von den Perspektiven der beteiligten
Akteure, wenn diese Überlegungen auch in Konflikt mit Millers Konzeption von
Arbeit als Produktion von Wert geraten. Lynn Sargeants Untersuchung der Konstruk-
tion der musikalischen Profession durch Konservatorien in Russland zwischen 1861
und 191731 schließlich nimmt die Umstände und Akteure des Konstruktionsprozesses
in den Blick, ohne Kategorien wie Profession bereits als gegeben vorauszusetzen.
Zusammenfassend bleibt allerdings zu sagen, dass – was auch für die allgemeine
sozialgeschichtliche und musikwissenschaftliche Forschung zum Musizieren gilt –
ein Zusammendenken einer Vielfalt von Musizierformen (sei es verschiedener
Genres, sei es verschiedener Arbeitsverhältnisse) bislang auch in internationalen
Forschungen nur wenig stattfand. Thema waren stets bestimmte Gruppen von
Musizierenden wie OrchestermusikerInnen, Tanz- und UnterhaltungsmusikerIn-
nen oder BerufsmusikerInnen. Nimmt man aber an, dass das ganze Ensemble an
mit Musizieren verbundenen Arbeitsformen sich nicht auf derart eng abgesteckte
Gruppen von Musizierenden beschränkt, sondern nur unter Berücksichtigung aller
Musizierenden sichtbar wird, dann muss die Untersuchung auch auf andere Musi-
zierformen erweitert werden.
28 Eckhardt, Zivil- und Militärmusiker.
29 Schepers, Tanz- und Unterhaltungsmusiker.
30 Miller, Musicians.
31 Sargeant, Class. Forschungskontexte 15
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Über die Produktion von Tönen
Beziehungen von Arbeit und Musizieren, Österreich 1918 – 1938
- Titel
- Über die Produktion von Tönen
- Untertitel
- Beziehungen von Arbeit und Musizieren, Österreich 1918 – 1938
- Autor
- Georg Schinko
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20802-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 310
- Schlagwörter
- Music-making, Musician, Work, Vocation, Art, Austria, Correspondence analysis, Life Writing, Interwar period --- Musizieren, Musiker, Arbeit, Beruf, Kunst, Österreich, Korrespondenzanalyse, Lebensgeschichtliche Erzählung, Zwischenkriegszeit
- Kategorie
- Kunst und Kultur