Seite - 16 - in Über die Produktion von Tönen - Beziehungen von Arbeit und Musizieren, Österreich 1918 – 1938
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1.2 Forschungsprogramm
In der vorliegenden Arbeit wird eine spezifische Perspektive darauf eingenommen,
wie sich Bedeutungen von Arbeitsformen historisch konstituierten und miteinander
in Zusammenhang standen. Vor allem einige Überlegungen von Pierre Bourdieu
sind für mein Verständnis der Differenzierungen von Arbeit maßgeblich. Folgt man
Bourdieu, so sind die jeweils unterschiedlichen Arten, die Welt zu begreifen und
in ihr zu handeln (Handlungs- und Wahrnehmungsschemata) an unterschiedliche
Positionen im sozialen Raum geknüpft. Je nach Position werden Handlungs- und
Wahrnehmungsschemata angewendet und praktiziert. Dies impliziert jedoch nicht ein
beliebiges Nebeneinander gleichwertiger Perspektiven auf die Welt: Es gibt in jedem
sozialen Feld legitime, weniger legitime und illegitime Praktiken.32 Die Bewertung
von Praktiken spiegelt erstens die Verteilung von feldspezifischem Kapital zwischen
den Akteuren wider und ist zweitens stets das Ergebnis vorangegangener Kämpfe
zwischen ihnen um die Deutungshoheit in einem bestimmten Raum.33
Im Kampf um die Produktion des common sense oder, genauer, um das Monopol auf legi-
time Benennung als offizielle – das heißt explizite und öffentliche – Durchsetzung einer
legitimen Sicht von sozialer Welt, setzen die Akteure jeweils das in den vorausgegange-
nen Kämpfen erworbene Kapital ein, nicht zuletzt ihre Verfügungsmacht über die in den
Köpfen der Menschen bzw. in der Objektivität festgeschriebenen, institutionalisierten
Taxinomien, wie etwa Titel.34
Darin zeigt sich wiederum die Problematik vordergründig objektiver Gegenstands-
definitionen, die die Historizität und den Konfliktcharakter von Begriffen und
Praktiken übersehen. Die Setzung einer Definition an den Anfang der Untersu-
chung und deren Operationalisierung im weiteren Verlauf privilegiert spezifische
Perspektiven – meist jene amtlicher Statistiken, gesetzlicher Bestimmungen oder
zeitgenössischer gelehrter Theorien.35
Man versucht, der Vielfalt, Heterogenität und Unübersichtlichkeit der Phänomene, durch
Typenbildung Herr/in zu werden: Eine Population wird nach bestimmten Aspekten und
(meist wenig präzisen oder kaum messbaren) Kriterien […] zerfällt. Die jeder histo-
rischen Tatsache – und nicht nur diesen Grenzfällen – inhärente Unschärfe, Vielfalt,
32 Bourdieu, Raum, 19 – 25.
33 Vgl. z. B. Bourdieu, ebd., 16 ff.; Ders., Unterschiede, 730; Ders., Macht, 560.
34 Bourdieu, Raum, 23.
35 Wadauer, Der Arbeit nachgehen, 27.
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Über die Produktion von Tönen
Beziehungen von Arbeit und Musizieren, Österreich 1918 – 1938
- Titel
- Über die Produktion von Tönen
- Untertitel
- Beziehungen von Arbeit und Musizieren, Österreich 1918 – 1938
- Autor
- Georg Schinko
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20802-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 310
- Schlagwörter
- Music-making, Musician, Work, Vocation, Art, Austria, Correspondence analysis, Life Writing, Interwar period --- Musizieren, Musiker, Arbeit, Beruf, Kunst, Österreich, Korrespondenzanalyse, Lebensgeschichtliche Erzählung, Zwischenkriegszeit
- Kategorie
- Kunst und Kultur