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podium […] The Viennese waltz concerts of Joseph Lanner and the Strauß family were
a close parallel.12
Webers Definition musikalischer Massenkultur zielt auf die Art der sozialen Bezie-
hungen anstelle von Quantitäten (etwa der Zuhörer oder der verkauften Noten) ab.
Hinsichtlich der Frage, ab wann genau man in der Kunstmusik von Massenkultur
sprechen kann, mag eine derartige Definition umstritten sein. Webers Darstellung
zeigt aber bereits die frühen Tendenzen, die in weiterer Folge zu einer Massenkultur
auch im quantitativen Sinn führten.
Noch wesentlich mehr Beachtung hat die Entstehung einer musikalischen Massen-
kultur der Unterhaltungs- bzw. Populärmusik 13 in der zweiten Hälfte des 19. Jahr-
hunderts gefunden. Diese Entwicklung fand im europäischen Vergleich durchaus
mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten statt. Vor allem England nahm hier eine
Vorreiterrolle ein. Der zugrunde liegende Prozess wird von Kaspar Maase anhand
der Musik in Gastwirtschaften folgendermaßen exemplarisch beschrieben: In der
ersten Hälfte des 19.
Jahrhunderts bestand das Musikangebot sowohl aus Auftritten
wandernder Musikanten wie auch Darbietungen der Gäste selbst. Mit den behörd-
lichen Einschränkungen von wandernden MusikerInnen einerseits, der abnehmen-
den Selbstorganisation von Unterhaltung durch die Gäste andererseits bot sich für
die Inhaber der Gastwirtschaften die Möglichkeit, durch ein stärker strukturiertes
Unterhaltungsangebot in Form angestellter MusikerInnen und anderer Unterhal-
tungskünstlerInnen Gäste anzuziehen:
…von den Free- and- Easies, wo noch die Gäste der Pubs musizierten, zu den Singing Saloons
mit dem Auftritt professioneller Künstler und zur britischen Music Hall; von der Pokal-
kneipe über den Tingeltangel zum deutschen Spezialitätentheater, vom Café chantant und
Café concert zu Varieté und französischer Music Hall.14
Die Entwicklung hin zu populärer Massenkultur und kommerzialisierter Unterhal-
tung, die hier skizziert wurde, beruhte darüber hinaus vor allem auf zwei gesamt-
gesellschaftlichen Entwicklungen. Zum einen wurde durch die Urbanisierung des
12 Weber, Mass Culture, 13; Vgl. auch die Bezeichnung der Konzerte von Strauß und Lanner als
„Frühform urbaner Unterhaltungsindustrie“ durch Andreas Gebesmair (Gebesmair, Koali-
tionen, 75).
13 Wenn im Weiteren von „Kunstmusik“ oder „Populärmusik“ im 19. Jahrhundert die Rede ist,
handelt es sich um eine historisch nicht ganz unproblematische Vereinfachung. Das Denken
und Praktizieren von Musizieren in diesen Kategorien war zu dieser Zeit noch bedeutend
weniger verbreitet als dann zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Siehe dazu auch Kapitel 2.3.4.
14 Maase, Vergnügen, 52.
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Über die Produktion von Tönen
Beziehungen von Arbeit und Musizieren, Österreich 1918 – 1938
- Titel
- Über die Produktion von Tönen
- Untertitel
- Beziehungen von Arbeit und Musizieren, Österreich 1918 – 1938
- Autor
- Georg Schinko
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20802-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 310
- Schlagwörter
- Music-making, Musician, Work, Vocation, Art, Austria, Correspondence analysis, Life Writing, Interwar period --- Musizieren, Musiker, Arbeit, Beruf, Kunst, Österreich, Korrespondenzanalyse, Lebensgeschichtliche Erzählung, Zwischenkriegszeit
- Kategorie
- Kunst und Kultur